München: Hieronymus Verlag Neuried, 1985. — 196 s.
Vom Verfasser übersetzt und wesentlich erweitert.
Vorwort zur ersten Ausgabe
Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit soll auf Grund des bisher bekannten Sprachmaterials einen Abriß der Phonetik und der Lexik der thrakischen Sprache geben. Aus objektiven Gründen, auf die in der Arbeit hingewiesen ist, bleibt das grammatische System dieser Sprache für die Wissenschaft noch immer unerforscht. Erörtert wird weiter die Frage der Beziehungen der thrakischen zu den Sprachen der angrenzenden Gebiete — dem Dakischen und dem Päonischen, die in der Vergangenheit dem Thrakischen zugewiesen wurden, sowie die Frage nach seiner Stellung im Kreise der indogermanischen Sprachen.
Bei der Analyse des sprachlichen Materials ist aus den bisherigen Forschungen nur das aufgenommen, was als sicher oder höchst wahrscheinlich gedeutet werden kann. Nichtüberzeugende, unwahrscheinliche Etymologien oder Hypothesen werden außer acht gelassen. Mit Rücksicht auf die Bestimmung des Buches — für einen breiteren Leserkreis — hielt ich es für überflüssig, auf die verschiedenen Meinungen über manche Fragen zu verweisen sowie auf kritische Beurteilung von Hypothesen und Ansichten einzugehen. Selbstverständlich kann der Verfasser einer solchen Arbeit auf eine bestimmte Konzeption, die auf Grund der bisherigen — seiner eigenen und der sonstigen — Forschungen erarbeitet worden ist, nicht verzichten. Obwohl das Phonemsystem des Thrakischen im Großen und Ganzen von D. Dečev in seinem Werk ,,Charakteristik der thrakischen Sprache" (Sofia, 1952) richtig festgestellt wurde, ist es heute für jeden Forscher des Thrakischen klar, daß die Etymologien, auf denen der namhafte klassische Philologe basierte, größtenteils nicht stichhaltig (,,Wurzeletymologien") sind. Das Vermischen des Thrakischen mit dem Dakischen war u.a. einer der Hauptfehler, der zu abwegigen Etymologien führte. Aus diesen Gründen wurde in der Darstellung der vergleichenden Phonetik des Thrakischen in den meisten Fällen neues Material herangezogen, bei dem die Etymologien sicher oder wahrscheinlich sind. Dabei sind nicht wenige Berichtigungen und Ergänzungen in der bisherigen Auffassung des Phonemsystems des Thrakischen hinzugekommen. Auf dem Gebiete des Wortschatzes ist das Material auf Grund der Forschungen in den letzten zwanzig Jahren erheblich ergänzt. Eine wichtige Etappe in der Entwicklung der Wissenschaft von der thrakischen Sprache war deren Abgrenzung anhand linguistischer Kriterien vom Dakischen, was dem bekannten bulgarischen Linguisten Vladimir Georgiev zu verdanken ist. Diese Konzeption, die mir gut begründet zu sein scheint, ist auch in der vorliegenden Arbeit vertreten.
In Anbetracht der Zielsetzung des Buches ließ ich die bibliographischen Angaben fallen, ausgenommen dort, wo dies sich als nötig erwies. Aus denselben Gründen ziehe ich es vor, kurz auf die Quellen hinzuweisen, in denen die thrakischen Sprachreste belegt sind. Die in griechischen Quellen überlieferten thrakischen Wörter und Namen sind in lateinischer Schrift transkribiert worden, wobei gr. к durch к und nicht durch с wiedergegeben wird.
Sofia —Köln
5. Mai 1974
Vorwort zur deutschen Ausgabe
In der vorliegenden zweiten Ausgabe, die erstmals in deutscher Sprache veröffentlicht wird, ist vieles überarbeitet worden. Besonders sind der Abschnitt VI („Die thrakischen Inschriften**) und der Teil D des Abschnittes IV („Götternamen") erheblich erweitert worden. Die deutsche Fassung ist in dieser Form nicht nur für einen breiteren Leserkreis gedacht, sondern auch für die Fachleute in den verschiedenen Zweigen der Indogermanistik, insbesondere der alten Balkansprachen, sowie für die Althistoriker. Im allgemeinen sind meine Konzeptionen über das Wesen des Thrakischen und seine Beziehungen zu den anderen indogermanischen Sprachen dieselben geblieben. In der Zeit seit der ersten Ausgabe meines Buches sind keine begründeten Einwände gegen diese Konzeptionen erhoben worden. Das ganze Sprachmaterial, das in der neuen Ausgabe behandelt wird, habe ich nochmals überprüft und dabei stellenweise zu Auffassungen und Deutungen anderer Wissenschaftler kurz Stellung genommen, ohne mich auf eine Diskussion einzulassen.
Für die Aufnahme des Buches in die Reihe „Bulgarische Sammlung" bin ich den Herausgebern Prof. Dr. Wolfgang Gesemann (Saarbrücken), Dr. Kyrill Haralampieff (München) und Prof. Dr. Helmut Schaller (Marburg), der auch das gesamte Manuskript durchgelesen hat, zu außerordentlichem Dank verpflichtet.
Sofia
20. Juli 1983