Mit dem Entwicklungsplan »Vision 2030« will Saudi-Arabien seine Wirtschaft diversifizieren und seine Abhängigkeit vom Erdöl langfristig beenden. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Public Investment Fund (PIF) zu. Dieser soll bis 2030 zum größten Staatsfonds weltweit ausgebaut werden und Finanzanlagen im Wert von zwei Billionen US-Dollar verwalten. Dabei ist der PIF nicht als Sparfonds, sondern als Stabilisierungs- und Entwicklungsfonds konzipiert: Mit dem Fondskapital sollen der Staatshaushalt gegen Preisschwankungen auf dem Rohstoffmarkt abgefedert, Entwicklungsvorhaben finanziert und Investitionen und Know-how aus dem Ausland ins Königreich geholt werden.
Die Analyse zeigt indes, dass der Ausbau des PIF in erster Linie machtpolitisch motiviert ist. Durch den Staatsfonds erhält Kronprinz Muhammad Bin Salman direkten Zugriff auf erhebliche finanzielle Ressourcen des Staates. Diese kann er gemäß seinen Präferenzen einsetzen und damit herrschafts-strategisch wichtige Gruppen an sich binden. Zudem könnte sich Bin Salman über den PIF internationale Unterstützung für seine politischen Ziele »erkaufen«. Durch den Staatsfonds wird die Wirtschaftstransformation in Saudi-Arabien so aufs engste mit der Herrschaftskonsolidierung des Kronprinzen verbunden. Entscheidungsträger in Deutschland und Europa sollten sich diesen Funktionen des PIF bewusst sein. Wirtschaftskooperationen mit dem Königreich unter Einbeziehung des PIF oder von ihm kontrollierter Unternehmen haben eine machtpolitische Dimension, die nicht ignoriert werden darf. Zudem könnte ein stärkeres Engagement des PIF in Europa eine politische Folgenabschätzung erforderlich machen, bei der geprüft werden müsste, ob der Staatsfonds primär als renditeorientierter Investor auftritt oder ob er eine außenpolitische Agenda verfolgt.
Author(s): Stephan Roll
Series: SWP Studie; 2019/13
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2019
Language: German
Pages: 38
City: Berlin