Oswald von Wolkenstein (um 1376–1445) gilt mit Recht als einer der markantesten Vertreter mittelalterlicher deutscher Lyrik. Als früher Vertreter der Mehrstimmigkeit hat er seine Zeitgenossen mit unterschiedlichsten Liebesliedern und Genreszenen überrascht. Der größere Teil seiner literarisch-musikalischen Hinterlassenschaft ist jedoch einstimmig vertont und betrifft vor allem autobio-graphische Reflexionen und Erzählungen sowie Religiöses und Didaktisches. Dabei hat er eine ungewöhnliche Fülle von Themen und Motiven aufgegriffen, hat literarische Traditionen variiert, mit Persönlichem aufbereitet und häufig parodiert. Seine Faszination beschränkt sich nicht auf dieses literarisch-musikalische Werk. Aus Urkunden, Akten, Erwähnungen in Handschriften anderer Autoren, aus bildlichen Darstellungen, Wappen, Siegeln sogar aus Burgruinen erschließt sich dem Interessenten ein einzigartig scheinender, in Wahrheit eher typischer Lebenslauf eines spätmittelalterlichen Ritters. Zugleich öffnet sich die Tür zum Blick auf ein Zeitalter, in dem Krieg und Diplomatie, Fürstendienst und Adelspolitik, die Praxis des Rechtswesens und eine alles umfassende, wenn auch heute schwer verständliche Gottesfurcht das Leben gehobener Schichten bestimmt haben.
Hatte der erste Band einen jüngeren Sohn aus Tiroler Adelsfamilie vorgestellt, der sich umtriebig in ganz Europa um Aufsteig bemühte und dem es gelang, die Rolle eines Sonderberaters im Dienst des Reichsoberhaupts zu spielen, so konzentrieren sich die "Lebenszeugnisse" des zweiten Bandes vornehmlich auf Fehden, Gefangenschaften und Konfliktlösungen im Land Tirol. Die Auseinandersetzung um den eigenen Anteil am Hauensteinischen Erbe wird gegen den Willen des Wolkensteiners mit seiner Opposition gegen den "österreichischen" Souveränitätsanspruch seines Landesfürsten Herzog Friedrich IV. verquickt. Gefangenschaft, befristete Freilassung zur Beilegung seiner privaten Fehde, Anrufung des Königs und Asylsuche bei den Grafen von Görz, schließlich neuerliche, lebensbedrohende Gefangenschaft und demütigende Unterwerfung prägen diesen Lebensabschnitt, der schließlich mit der Begnadigung durch den Landesfürsten und dem Erwerb des gesamten Hauensteinischen Besitzes einen positiven Abschluss findet.
Author(s): Anton Schwob, Karin Kranich-Hofbauer, Ute Monika Schwob, Brigitte Spreitzer (Hrsg.)
Publisher: Böhlau Verlag
Year: 2001
Language: German
Pages: 410
City: Wien
Vorwort vii
Verzeichnis der Siglen und Abkürzungen xi
Verzeichnis der benützten Archiv- und Bibliotheksbestände xiii
Verzeichnis der mehrfach genannten Handschriften und deren Beschreibungen xvi
Einleitung xxi
Die Lebenszeugnisse Oswalds von Wolkenstein
Edition und Kommentar: Nr. 93-177 1
Literaturverzeichnis 305
Personenregister 335
Ortsregister 357
Stammtafeln der Familien Vilanders und Wolkenstein 375