Arbeiterfreunde: Soziale Mission im dunklen Berlin 1911-1933

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Im Oktober 1911 gingen bildungsbürgerliche Sozialreformer in die Arbeiterviertel im Osten Berlins: eine soziale Mission, in deren Mittelpunkt das Kennenlernen der Menschen und Verhältnisse im "dunklen Berlin" stand. Sie wurde für ihre Teilnehmer zu einer "Schule des wirklichen Lebens", in der sie Erfahrungen nachholen konnten, die ihnen ihre bürgerliche Sozialisation bislang vorenthalten hatte. Indem er die Begegnungen zwischen Bürgern und Arbeitern schildert, bietet Jens Wietschorke eine Mikrogeschichte der Klassengesellschaft in Kaiserreich und Weimarer Republik und leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis bildungsbürgerlicher Mentalitäten.

Author(s): Jens Wietschorke
Series: Campus Historische Studien; 67
Publisher: Campus Verlag
Year: 2013

Language: German
Pages: 453
City: Frankfurt / New York

Inhalt
Einleitung
Bildungsbürger als »Arbeiterfreunde«: Thema und Fragestellungen
Quellenmaterial, Forschungsstand und Konzeption der Untersuchung
Methoden und Problemstellungen
Zwischen Mikrogeschichte und historischer Ethnographie
Kulturanalyse der Klassenbeziehungen und des Bildungsbürgertums
Intellektuellengeschichte als Thema der Europäischen Ethnologie?
1. Der Schauplatz Berlin-Ost
Was nicht im Baedeker steht
Stadtlandschaft und soziale Topographie
Das »dunkle Berlin«: Symbolische Topographien
2. Die Settlementbewegung in Berlin 1911–1914
Die Rezeption der Settlementbewegung in Deutschland
Friedrich Siegmund-Schultze und sein soziales Experiment
Das »Convikt«: Erste Jahre in der Friedenstraße
Die »Frauenkolonie« in der Fruchtstraße
Assoziationsformen: Der Kreis der »Mitarbeiter und Freunde«
Netzwerke und Ressourcen
Nahaufnahme I: Wenzel Holek als Symbolfigur der SAG
3. Two Nations: Zur Gesellschaftsdiagnose der SAG
Die Metapher der two nations
»Das kirchliche Kleid abstreifen«
Berliner Arbeiter und die Grenze der Respektabilität
Von der Klassengesellschaft zur »Sozialen Arbeitsgemeinschaft«
Stadt- und Landdiskurse in der SAG
4. Soziale Mission und das Prinzip der Substitution
Terra Incognita und Altruismus als Abenteuer
Bürgerliche Kultur und soziale Mission
Erich Kocke und das Rettungsparadigma
Kaffeehalle und Festkultur: Substitution als Methode
Mission, Gewissen und Persönlichkeit: Religiöse Kulturmuster
5. Auf der Suche nach dem »wirklichen Leben«
Die SAG als Erfahrungsproduktionsmodell
Eine Generation des Unbedingten
»The Imagination of Powerlessness«
Der Arbeiter als »einfacher, bedeutender Mensch«
»Mit zum Volk gehören!« Eine Studentin in der Schraubenfabrik
Volksnähe als symbolische Ressource
Nahaufnahme II: Johanna Fränkel und die »Soziale Arbeitsgemeinschaft Berlin-West«
6. Angewandte Sozialforschung im »dunklen Berlin«
Die Verhältnisse kennenlernen
Ethnographie der Arbeiterfreizeit: Die »Vergnügungskommission«
Ordnungen des Vergnügens: Das Beispiel Kino
Der Missionar als Feldforscher: Richard Lau
Teilnehmende Beobachtung in der Fabrik
Betriebsforschung und angewandte Sozialwissenschaften
7. Der Führungsanspruch der Akademiker 1914–1922
»Sozial-Soldaten«? Die SAG im Ersten Weltkrieg
»Ver Sacrum«: Friedrich Bredt und Oskar von Unruh
Kriegsende 1918: Masse und Führung
Landadel in der SAG: Die Trieglaffer Konferenzen
»Die Sprache der Höfe verstehen lernen«
Integrative Führung als Programm
8. Die Klubarbeit der SAG im Kontext der Jugendpflege
Jugenddiskurs und Jugendpflege nach 1900
»Geheime Miterzieher«: Die Straße als Gegenspieler
Der Klub als zivilisierte Bande
Gutsherrschaft als soziales Modell: Die Ferienfahrten
Jugend als Problem und Jugend als Bewegung
9. Der lange Abschied von der Mission 1922–1933
Neue Klassenbezüge: Vom Sozialstudenten zum Werkstudenten
Volksbildung als neue Leitidee
Sozialismus und Christentum: Politische Neuorientierungen
Lauenstein: Identitätssuche und sozialpolitisches Engagement
Epilog: Die letzten sieben Jahre der Sozialen Arbeitsgemeinschaft
Nahaufnahme III: Mennicke, Thadden und die Arbeiter: Ein Brief aus dem Jahr 1927
10. Soziale Mission im »dunklen Berlin«: Eine Bilanz
Die Logik der Metaphern: Die SAG zwischen 1911 und 1933
Bildungsbürger und Arbeitermilieu: Eine Beziehungsgeschichte
Von der Bildungselite zur »integrativen Elite«
Emotionen und Interessen
Quellen und Literatur
Dank