Grundriß der deutschen Wirtschaftsgeschichte

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Eine erste Fassung des in diesem Band veröffentlichten Grundrisses der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist in einem Sammelwerk erschienen, das sich an die Studenten der Wirtschaftswissenschaften wendet.1 Weil dieser Text inzwischen vielfach zitiert und auch in Lektürelisten für Studenten der Geschichtswissenschaft aufgenommen worden ist, wurde wiederholt der Wunsch laut, man möge ihn aus dem Zusammenhang lösen und auch gesondert zugänglich - und das heißt vor allem: wohlfeiler - machen. Ich bin dem Verlag und den Herausgebern dankbar, daß sie dies jetzt ermöglichen. Es waren vermutlich die entstehungsbedingten Eigenheiten, die dem Grundriß auch über den Kreis der ursprünglichen Leser hinaus Aufmerksamkeit verschafften, und so ist denn bei der Überarbeitung hieran nichts geändert worden. Das gilt vor allem für die stärker betonte wirtschaftswissenschaftliche Perspektive, den selbstverständlicheren Gebrauch einer wirtschaftswissenschaftlichen Fachsprache und die spezielle Auswahl des Stoffes. Obwohl der Verfasser, wie alle Historiker, die heute übliche Verkürzung des Blicks auf die Neuzeit, gar die neueste Zeit, bedauert, ist die Stoffverteilung in diesem Grundriß ungleichmäßig. Die Zeit vor der Industriellen Revolution wird in einigen großen Längsschnitten nur relativ kurz abgehandelt, obgleich sie höchst interessante Probleme aufwirft und durchaus nicht toter Stoff ist. Aber hier waren Interessen und Bildungsvoraussetzungen der normalen Leser und die Gewichtungen der Studienpläne hinzunehmen. Auf jeden Fall sollte die so andere Wirtschaftswelt bis zum 18. Jahrhundert in ihrer Statik und Dynamik zumindest soweit vorgestellt werden, daß der revolutionäre Bruch im Verlauf des ausgehenden 18. und im 19. Jahrhundert begrif- 1 W. Ehrlicher, 1. Esenwein-Rothe, H.Jürgensen und K. Rose (Hrsg.), Kompendium der Volkswirtschaftslehre, Band I, 5. Auflage Göttingen 1975, S. 512 ff. 5 fen wird. Die Industrielle Revolution ist die darstellerische Mitte dieses Grundrisses. Der III.Teil geht dann von der Annahme aus, daß sich am Ende des 19. Jahrhunderts Wachstum „institutionalisiert" habe und die wichtigsten bis heute geltenden Züge der modernen Wirtschaftsgesellschaft - bei allem weiterwirkenden Wandel - schon vor hundert Jahren hervorgetreten sind. Für die neuere und neueste Zeit ist jede Wirtschaftsgeschichte in einem darstellerischen Dilemma. Auf der einen Seite ist es notwendig, die einzelnen Perioden im historischen Ablauf je für sich zu charakterisieren, auf der anderen Seite aber gibt es durchgehende Problemzusammenhänge und Prozesse, die im Grundsätzlichen in allen Perioden gleichartig angelegt sind. Wollte man nur nach Perioden gliedern, so müßte man diese langfristigen Entwicklungen entweder in jedem Abschnitt wiederholen oder man müßte sie auslassen mit der Gefahr, daß neben den kurzfristigen Vorgängen das Langfristige nicht genügend intensiv vermittelt wird. Ich habe mich dazu entschlossen, das III. Kapitel zu teilen und zunächst gleichsam die „Ereignisgeschichte" in der Abfolge der Perioden darzustellen und dann anschließend die Tendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten hundert Jahren noch einmal nach systematischen Kategorien in Längsschnitten abzuhandeln. Diesem Vorgehen haben sich inzwischen einige Autoren angeschlossen. Der Grundriß ist als Leitfaden gedacht, mit dessen Hilfe sich eine riesig große Stoffmasse ordnen läßt, die hier nicht im Detail auszubreiten war. Für ein tieferes Eindringen in die Wirtschaftsgeschichte sind die Details natürlich nicht entbehrlich; das sei auch und gerade an dieser Stelle betont, damit nicht der Unterschied zwischen einem „Überblick" und der Menge der möglichen „Einblicke" verwechselt wird. Das Literaturverzeichnis weist aufzahlreiche Lehrbücher und Monographien hin, mit deren Hilfe man sich spezieller- oder auch nur anders- informieren kann. Aber schließlich kommt es darauf an, in die Fakten Ordnung zu bringen, ihr Gewicht zu erkennen und ihre Beziehungen ausfindig zu machen. Hierbei will der Grundriß vor allem helfen.

Author(s): Knut Borchardt
Series: Kleine Vandenhoeck-Reihe; 1441
Publisher: Vandenhoeck und Ruprecht
Year: 1978

Language: German
Pages: 107
City: Göttingen

Vorwort 5
I. Die Entwicklung vor der industriellen Revolution . . . 7
1. Die erste Agrarrevolution und die Agrargesellschaft
7
2. Bevölkerungsentwicklung und Landesausbau bis
zum 18. Jahrhundert 8
3. Die Produktionsweise vom Mittelalter bis zum
18. Jahrhundert 12
4. Die Wirtschafts- und Sozialverfassung der vorindustriellen
Gesellschaft 15
a) Die Grundherrschaft und die Bauernwirtschaft 15
b) Die Stadt und die städtische Wirtschaftsweise .. 19
c) Der Staat und die staatliche Wirtschaftsaktivität 23
5. Die Marktwirtschaft und ihre Institutionen 27
6. Die traditionale Gesellschaft des 18. Jahrhunderts
und ihre Wirtschaft 35
II. Die industrielle Revolution 39
1. Zentrum und Peripherie der industriellen Revolution
39
2. Die liberalen Reformen in den deutschen Staaten
und die Staatsaktivität. bis zur Gründung des
Reiches 41
3. Die wirtschaftliche Entwicklung bis zur Gründerkrise
46
4. Die sozialen Konflikte 53
III. Die Entwicklung seit dem ausgehenden
19. Jahrhundert 57
1. Die Perioden der neueren und neuesten deutschen
Wirtschaftsgeschichte 57
3
a) 1871-1914 58
b) 1914-1918 61
c) 1918-1933 62
d) 1933-1945 66
e) 1945-1948 70
f) 1948-1975 71
2. Tendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung in
den letzten hundert Jahren 78
a) Das Wachstum des Sozialprodukts 78
b) Die Entwicklung der Arbeitsmenge und der
Arbeitsproduktivität 79
c) Die Entwicklung des Kapitalbestandes und der
Kapitalproduktivität 81
d) Der technische Fortschritt 84
e) Human Capital 86
f) Die Veränderung des Lenkungsmechanismus
der Wirtschaft 87
g) Strukturwandlungen der Wirtschaft 92
3. Das Zeitalter der reifen Wirtschaft 98
Literaturhinweise 100