Bd. 1. Untersuchung.
Bd. 2. Edition und Bildmaterial.
Zu den ersten in lateinischer Sprache geschriebenen Texten aus der literarischen Werkstatt Norwegens, deren Anfänge in das 12. Jahrhundert gesetzt werden, gehört die "Passio sancti Olavi", die Leidensgeschichte des ersten und zugleich prominentesten Heiligen des Landes, des Wikingerkönigs Olav Haraldsson (gest. 1030). In einer Synthese von Heiligem und Heros wird in diesem Text der zu seinen Lebzeiten eher unbeliebte, in einer kriegerischen Auseinandersetzung zweier politischer Rivalen ums Leben gekommene König als christlicher Märtyrer stilisiert. Zwischen dem Tod des späteren Nationalpatrons und der Abfassung seiner ersten lateinischen Lebensbeschreibung liegen allerdings deutlich mehr als hundert Jahre. Der Text wurde darüber hinaus in einer Zeit verfasst, in der sich in Norwegen die neue christliche "Elite" als Träger lateinischer Schriftlichkeit im bislang volkssprachigen literarischen System erst zu etablieren begann und anstelle einer rezeptiven nun eine produktive Phase anstrebte. Außerdem hat sich die lateinische Biographie Olavs des Heiligen in Überlieferungsträgern erhalten, von denen kein einziger aus Norwegen selbst stammt. Diese Dynamik rückt die Passio Olavi, insbesondere aus der Perspektive der Instrumentalisierung von Heiligenkulten im Mittelalter und des politisch funktionalisierten Umgangs mit der Dichotomie von Macht und Heiligkeit, in ein einzigartiges und zugleich spannungsreiches Licht.
Author(s): Lenka Jiroušková
Series: Mittellateinische Studien und Texte, 46
Publisher: Brill
Year: 2014
Language: German, Latin
Pages: 1128