Die Materialgrundlage des Buches bilden fünf aus dem Lateinischen übersetzte Texte, die bisher in der Forschung als 'pseudohistorische Übersetzungswerke' bezeichnet wurden: die 'Rómverja saga', 'Breta sögur', 'Trójumanna saga', 'Gyðinga saga' und 'Alexanders saga'. Der Vergleich zwischen den isländischen Fassungen und ihren lateinischen Vorlagen zeigt, daß die Übersetzer vor allem an der 'materia' festhielten, während sie sich stilistisch und formal an der einheimischen Sagatradition orientierten.
Spätere Bearbeitungen der Übersetzungen wurden hauptsächlich in umfangreichen, enzyklopädischen Flandschriften, deren Schwerpunkt auf der historiographischen Darstellung lag, tradiert. Aus dem Vergleich mit den kontinentalen Bearbeitungen antiker Stoffe wird deutlich, daß die isländischen Übersetzungen nie als höfische Literatur intendiert waren, denn ihnen fehlen zwei der für die kontinentalen 'Antikenromane' wesentlichen Charakteristika: die Modernisierung, d.h. die Transposition der Personen und ihrer Verhaltensweisen in eine mittelalterliche höfische Kulisse sowie die neue Thematik der Liebe und die damit verbundene psychologisierende Darstellung. Bei den isländischen Übersetzungen handelt es sich weder um 'Antikenromane' im Stil der kontinentalen Vorläufer der höfischen Romane noch um 'Pseudo'-Historien. Die Texte konzentrieren sich auf die Darstellung des Faktischen und legen damit größeres Gewicht auf das prodesse als auf das delectare. Die isländischen Übersetzungen befassen sich dezidiert mit antiker Geschichte, die zum Teil - wie in den 'Breta sögur' - auch bis in die eigene nationale Vergangenheit weitergeführt werden konnte.
Author(s): Stefanie Würth
Series: Beiträge zur nordischen Philologie, 26
Publisher: Helbing & Lichtenhahn Verlag
Year: 1998
Language: German
Pages: 304
City: Basel
Vorwort
1. Einleitung 1
2. Die pseudohistorischen Übersetzungswerke 9
2.1 'Rómverja saga' 13
2.1.1 Überlieferung 15
2.1.2 Die lateinischen Vorlagen 20
Sallust: 'Bellum Iugurthinum' und 'Coniuratio Catilinae' 20
Lucan: 'Pharsalia' 22
2.1.3 Das Verhältnis zwischen Vorlagen und Übersetzung 24
2.1.4 Zeit und Ort der Übersetzung 35
2.2 'Trójumanna saga' 38
2.2.1 Überlieferung 38
2.2.2 Die lateinische Vorlage
Dares Phrygius: 'De excidio Trojae historia' 43
2.2.3 Das Verhältnis zwischen Vorlage und Übersetzung 46
2.2.4 Zeit und Ort der Übersetzung 54
2.3 'Breta sögur' 56
2.3.1 Überlieferung 57
2.3.2 Die lateinische Vorlage
Geoffrey of Monmouth: 'Historia regum Britannie' 59
2.3.3 Das Verhältnis zwischen Vorlage und Übersetzung 70
2.3.4 Zeit und Ort der Übersetzung 80
2.4 'Gyðinga saga' 82
2.4.1 Überlieferung 83
2.4.2 Die lateinischen Vorlagen 86
Die Makkabäerbücher 87
Petrus Comestor: 'Historia Scholastica' 88
'Historia Apocrypha' 91
2.4.3 Das Verhältnis zwischen Vorlagen und Übersetzung 93
2.4.4 Zeit und Ort der Übersetzung 98
2.5 'Alexanders saga' 100
2.5.1 Überlieferung 101
2.5.2 Die lateinische Vorlage
Walter von Châtillon: 'Alexandreis' 103
2.5.3 Das Verhältnis zwischen Vorlage und Übersetzung 107
2.5.4 Zeit und Ort der Übersetzung 117
2.6 Die Charakteristika der isländischen Übersetzungen 118
2.6.1 Veränderungen gegenüber den Vorlagen 119
2.6.2 Charakteristika der isländischen Literatursprache 123
2.6.3 Die Bedeutung der Prosa 126
2.6.4 Das Verhältnis der pseudohistorischen Übersetzungswerke zu den Riddarasögur 130
3. Die Rezeptionsgeschichte der pseudohistorischen Übersetzungswerke 136
3.1 Der handschriftliche Kontext der Werke 139
3.1.1 Die Überlieferungsgemeinschaft in der Handschrift AM 226, fol. 140
3.1.2 Die Überlieferungsgemeinschaft 'Trójumanna saga' und 'Breta sögur' 148
3.1.2.1 Die Bearbeitungen in 'Hauksbók', 'Ormsbók' und AM 573, 4to 151
3.2 Die pseudohistorischen Übersetzungswerke und die einheimische Literatur 170
3.2.1 Die isländische Historiographie 171
3.2.1.1 'Veraldar saga' 173
3.2.1.2 Die Handschrift AM 764, 4to 177
3.2.2 Alexander der Große als exemplarischer Held 180
3.3 Wandel durch Funktion 182
4. Kulturelle Voraussetzungen für die Übersetzung und Rezeption pseudohistorischer Werke 187
4.1 Die Anfänge der volkssprachigen Literatur in Island 187
4.2 Die Vermittlung von Bildung und Literatur 192
4.2.1 Schulen 193
4.2.2 Klöster 201
4.2.3 Übersetzer und Bearbeiter 205
4.3 Die Rezeption literarischer Werke 211
4.4 Island und Europa 217
4.4.1 Die Bedeutung Englands für die Entstehung der volkssprachigen isländischen Literatur 219
5. Die pseudohistorischen Übersetzungswerke und die europäischen Antikenromane 228
5.1 Volkssprachige Versionen antiker Stoffe 230
5.1.1 Die Geschichte der römischen Republik 230
5.1.2 Die Trojanergeschichte 231
5.1.3 Die 'matière de Bretagne' 233
5.1.4 Die Geschichte der Makkabäer 237
5.1.5 Der Alexanderstoff 239
5.2 Die Sonderstellung der pseudohistorischen Übersetzungswerke 243
6. Zusammenfassung 248
Abkürzungsverzeichnis 258
Literaturverzeichnis 259
Register 284