In dieser historischen Analyse der Herrschaftszeit Justinians (527–565) werden politik- und mentalitätengeschichtliche Ansätze miteinander verbunden. Die Transformationsprozesse in dieser Phase werden weniger aus dem Gestaltungswillen des Kaisers abgeleitet, sondern aus den Einwirkungen kontingenter Faktoren (besonders der Naturkatastrophen), die im 6. Jh. auf spezifische, von verbreiteten Endzeiterwartungen geprägte Wahrnehmungs- und Deutungsmuster getroffen sind. Untersucht werden u. a. Bewältigungsstrategien der Katastrophen in der Reichsbevölkerung, die sich daraus ergebenden Einflüsse auf die Politik des Kaisers sowie die langfristigen Konsequenzen der Geschehnisse in zentralen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die Arbeit stellt insofern auch einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Frage nach dem Übergang von ›Ostrom‹ zu ›Byzanz‹ dar, indem sie die Einheitlichkeit eines ›Zeitalters Justinians‹ konsequent in Frage stellt.»Das andere Zeitalter Justinians« wurde vom Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands als »ein ebenso originelles wie überzeugendes Buch, das die Forschung auf Jahre hinaus beschäftigen wird«, mit dem Habilitationspreis 2004 ausgezeichnet.
Author(s): Mischa Meier
Series: Hypomnemata: Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben, 147
Publisher: Vandenhoeck & Ruprecht
Year: 2003
Language: German
Pages: 739
City: Göttingen
Inhalt
Vorwort
1. Vorüberlegungen: Mentalitäten und Katastrophen
1.1 Zum Verhältnis von christlicher Eschatologie und Zeitgeschichte - das Problem des Jahres 500 n. Chr.
1.2 Zielsetzung und methodische Grundlagen der Untersuchung
2. Grundvoraussetzungen: Unerfüllte Erwartungen - Der Katastrophendiskurs im 6. Jh. als Spiegel zerbrochener Weltbilder
2.1 Unterschiedliche Deutungsperspektiven der Katastrophen des 6. Jahrhunderts
2.1.1 Pessimismus und Desillusionierung unter den Heiden in der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts. Das Beispiel des Zosimos und des Damaskios
2.1.2 Christliche Endzeiterwartungen, die Suche nach den Ursachen des Leides und das Phänomen der Angst
2.1.2.1 Das Orakel von Baalbek und die Prophezeiung des nahen Weitendes
2.1.2.2 Endzeiterwartungen im Spiegel der Chronik des Josua Stylites
2.1.2.3 Das Weitende als Thema im christlichen Gottesdienst: Romanos Melodos
2.1.2.4 Indizien für eine Wiederaufnahme ›naturwissenschaftlicher‹ Debatten über die Ursachen von Naturkatastrophen
2.1.2.5 Der Kaiser als Urheber allen Unheils: Das Beispiel Prokops
2.1.2.6 Die Thematisierung der Angst: Agathias
2.1.3 Zusammenfassung
2.2 Zum Verhältnis von Angst und Apokalyptik im 6. Jahrhundert
3. Die Herrschaft Justinians und die Katastrophen
3.1 Die Jahre 527-539/40: laeta saecula - Ein neues Zeitalter
3.1.1 Selbstverständnis und Selbstdarstellung Justinians - Traditionen, Hintergründe und Besonderheiten
3.1.1.1 Deo auctore und nostra felicia tempora: Das ›Zeitalter Justinians‹
3.1.1.1.1 Die kaiserliche Herrschaft ἐκ θεοῦ in der Spătantike
3.1.1.1.2 Justinians spezifisches Verständnis einer Herrschaft ἐκ θεοῦ
3.1.1.1.3 Hinweise auf die Vorstellung eines ›Zeitalters Justinians‹ in den Quellen
3.1.1.1.4 Das neue ›Zeitalter‹ im Spiegel des Triumphes über die Vandalen 534
3.1. 1.1.5 Zur Entwicklung des Restaurations-Gedankens
3.1.1.1.6 Zusammenfassung
3.1.2 Abriß der wichtigsten Aspekte der Politik Justinians bis 539/40
3.1.2.1 Justinians Politik während der Herrschaft Justins I.
3.1.2.2 Der 1. Perserkrieg
3.1.2.3 Vorgehen gegen Randgruppen und religiöse Minderheiten I: Homosexuelle, Heiden, neuplatonische Philosophen in Athen
3.1.2.4 Vorgehen gegen Randgruppen und religiöse Minderheiten II: Samaritaner
3.1.2.5 Der Streit um die theopaschitische Formel
3.1.2.6 Weitere Aspekte der Politik Justinians im Spiegel der Quellen
3.1.2.7 Zusammenfassung
3.2 Die Jahre 543-565: Rückzug in die Theologie
3.2.1 Das Bild der späteren Regierungsjahre Justinians in den Quellen
3.2.2 Außenpolitik
3.2.3 Innenpolitik, und Besetzung der hohen militärischen und zivilen Positionen
3.2.4 Religions- und Kirchenpolitik
3.2.5 Zusammenfassung
3.2.6 Anhang: Konkrete Beispiele für Veränderungen in der Politik Justinians seit 543
3.2.6.1 Verträge mit den Persern
3.2.6.2 Heidenverfolgungen
3.2.6.3 Weitere Beispiele
3.3 Die Jahre 540-542: »Da nun vieles gleichsam unvorhergesehen geschehen ist, wie es schwerlich eine andere Zeit herbeiführen würde...«
3.3.1 Die Einnahme Ravennas und die Katastrophe des Gotenkrieges
3.3.2 Der Persereinfall 540 und die Zerstörung Antiocheias
3.3.3 Ausbruch der Pest in Konstantinopel
3.3.4 Schlußfolgerungen und Ausblick
4. Reaktionen, Deutungen und Bewältigungsstrategien in der Bevölkerung
4.1 Fallbeispiele zum Umgang mit Katastrophen durch Betroffene
4.1.1 Der Komet des Jahres 520
4.1.2 Die Katastrophen in Antiocheia zwischen 525 und 528
4.1.3 Das nächtliche Erdbeben in Konstantinopel 533
4.1.4 Die atmosphärische Störung 536-537
4.1.5 Das Kreuzwunder von Apameia im Jahr 540
4.1.6 Die Pestepidemie in Konstantinopel 541/42
4.1.7 Die Rettung Edessas vor den Persern im Jahr 544 und die ›Auffindung‹ des Christusbildes
4.1.8 Sonderbare Vorkommnisse im Jahr 548
4.1.9 Das Erdbeben in Konstantinopel 557
4.1.10 Die Massenhysterie in Amida 560
4.1.11 Zusammenfassung
5. Synthese
5.1 Konsequenzen der Geschehnisse 1: Die Reichsbevölkerung
5.1.1 Kaiserkritik - Direkte Zeugnisse
5.1.2 Zusammenbruch und Neukonzeption chronologischer und eschatologischer Modelle
5.1.2.1 Probleme der Chronologie
5.1.2.2 Eschatologische Aspekte
5.1.3 Wandel in den religiösen Ausdrucksformen
5.1.3.1 Vorüberlegungen: Religion - Frömmigkeit - Volksfrömmigkeit
5.1.3.2 Prozessionen und Marienverehrung
5.1.3.3 Ausbreitung und Funktion des Bilderkultes im 6. Jahrhundert
5.1.4 Zusammenfassung
5.2 Konsequenzen der Geschehnisse II: Der Kaiser
5.2.1 Punktuelle Aktionen
5.2.1.1 Die Verlegung der Hypapante im Jahr 542 und die reichsweite Förderung der Marienverehrung
5.2.1.2 Kanalisierung von Unwillen gegenüber dem Kaiser: Heidenverfolgungen, Missionstätigkeit und die Novellen 77 und 141
5.2.1.3 Die Errichtung des Reiterstandbildes auf dem Augustaion
5.2.2 Längerfristige Entwicklungen: Die Sakralisierung der Person des Kaisers
5.2.2.1 Endgültige Abkehr von der kaiserlichen civilitas und die Selbstdarstellung Justinians als Heiliger Mann
5.2.2.1.1 Vorbemerkungen
5.2.2.1.2 Auswertung des Quellenmaterials
5.2.3 Zusammenfassung
6. Zusammenfassung: Das andere Zeitalter Justinians
7. Anhang: Liste mit Katastrophen im Oströmischen Reich zwischen 500 und 565
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Register