Unter Präsident Wladimir Putin erstarkte ein Konservatismus, mit dem sich Russland von einem angeblich traditionsfeindlichen Westen abgrenzt. Vor allem in Putins dritter Amtszeit (2012–2018) wurde die Zusammenarbeit des Kreml mit der Russischen Orthodoxen Kirche ausgebaut. Gemeinsam widmete man sich etwa der patriotischen Präsentation der Geschichte Russlands als einer Großmacht, die einer »vom Westen dominierten Weltordnung« entgegentritt. Dabei versteht sich das Moskauer Patriarchat zwar nicht als Erfüllungsgehilfe des Kreml und hat seinerseits auf die Regierungsführung nur sehr begrenzten Einfluss. Aber in einem gemeinsamen Wertediskurs betonen kirchliche und staatliche Sprecher die »kulturelle Souveränität« und »einzigartige Zivilisation« ihres Landes, und die kirchlichen Außenbeziehungen verschränken sich in einigen Fällen mit der staatlichen Außenpolitik. Besonderes Aufsehen erregte der Streit um eine vom Moskauer Patriarchat getrennte eigenständige Orthodoxe Kirche der Ukraine, der im April 2018 aufflammte, in Kiew wie auch in Moskau politisiert wurde und weite Kreise zog. Schon diese grenzüberschreitende Auseinandersetzung fordert es geradezu heraus, sich eingehender mit nationalen und außenpolitischen Akzenten von Orthodoxie und mit dem Verhältnis von Kirche und Staat in Russland zu befassen.
Author(s): Uwe Halbach
Series: SWP Studie; 2019/8
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2019
Language: German
Pages: 38
City: Berlin
5 Problemstellung und Schlussfolgerungen
7 Präsident und Patriarch – Staat und Kirche
9 Re-Institutionalisierung der Kirche in nachsowjetischer Entwicklung
13 Religiosität in der Bevölkerung
15 Die Kirche und russische bzw. russländische Identität
18 Die Kirche als außenpolitischer Akteur
20 Feindbild Westen
22 Die Verbindungen der ROK zu internationalen Organisationen
24 Das Verhältnis zwischen russischer und islamischer Welt
27 Beziehungen zum »nahen Ausland«: Ukraine und Georgien
33 Ausblick
35 Abkürzungsverzeichnis