Der Entstehungskontext archäologischer Befunde und der darin fassbaren Objekte spielt eine bedeutende Rolle für die Interpretation materieller Hinterlassenschaften. Gräber sind in erster Linie das Resultat eines emotional und sozial prekären Ereignisses in einer Gesellschaft – dem Tod eines ihrer Mitglieder. So stellt das Grab auch aus archäologischer Sicht eine primäre Quelle für die Auseinandersetzung mit dem Todesverständnis in vergangenen Gesellschaften dar.
Barbara Hausmair geht in ihrer Untersuchung dem Einfluss von Todeskonzepten auf die Bestattungspraktiken der Bevölkerung in der frühmittelalterlichen Alamannia nach. Am Beispiel der Gräberfelder Bad Mingolsheim, Horb-Altheim und Weingarten unternimmt sie einen Vergleich von archäologischen Mustern auf Basis der Grabbeigaben und Grabgestaltung mit anthropologischen Daten zu Alter, Geschlecht, Herkunft, Verwandtschaft und Gesundheitszustand der Bestatteten. Die durch diese Clusteranalysen eruierten Gruppen setzt sie in Beziehung zu soziologischen und kulturanthropologischen Theorien und Modellen zum Umgang mit dem Tod und zeichnet so das komplexe Zusammenspiel von Sozialstrukturen in den jeweiligen Bestattungsgemeinschaften, Todeskonzepten, Folgeweltmodellen und neu konstruierten Identitäten der Toten im Jenseits nach. Die thanatologische Herangehensweise bietet neue Einblicke in die Bestattungspraktiken und Vorstellungen merowingerzeitlicher Gemeinschaften in Südwestdeutschland und präsentiert eine sensible Verknüpfung theoretischer Überlegungen mit einer archäologischen Materialanalyse.
Author(s): Barbara Hausmair
Publisher: Sidestone Press
Year: 2015
Language: German
Pages: 368+258
City: Leiden
Vorwort
Einleitung
1. Die Archäologie und der Tod – Überblick zur Forschungsgeschichte
1.1 Gräberfeldarchäologie der Merowingerzeit in Südwestdeutschland
1.1.1 Gräberfeldarchäologie und Sozialstrukturen
1.1.2 Ethnizitäten als Problem der Forschung
1.2 Theorie und Grab
1.2.1 Kulturevolutionismus und kulturhistorische Forschung – Anfänge der Archäologie
1.2.2 Prozessuale Archäologie – Gräber in Zahlen
1.2.3 Postprozessuale Strömungen – Kontext, Symbole und Grab
1.2.4 Eklektische Denkansätze und Thanatoarchäologie
2. Thanatologische Theorie und frühmittelalterliche Gräberfeldarchäologie
2.1 Was ist der Tod? – Philosophische Betrachtungen
2.2 Die Evidenz des Leichnams – Grundlegendes zum biologischen Todesbegriff
2.3 Der kulturelle Umgang mit dem Todesbewusstsein und dem Leichnam
2.3.1 Todeskonzepte – Jenseitsvorstellungen und das post mortem
2.3.2 Bestattungsbräuche und die Toten im Netzwerk ritueller Handlungen
2.4 'Paganismus' und Christentum – Religion und Tod in der Alamannia
2.5 Thanatologische Perspektiven für das Frühmittelalter – Formulierung der Forschungsziele
3. Untersuchte Gräberfelder im Überblick
3.1 Bad Mingolsheim
3.2 Horb-Altheim
3.3 Weingarten
3.3.1 Aufteilung des Weingartner Gräberfeldes in zwei Fallbeispiele
4. Methodik
4.1 Statistik – Möglichkeiten und Grenzen
4.2 Datenaufbereitung und Aufbau der Datenbank
4.2.1 Basistabelle Bestattungen
4.2.2 Untertabelle Objekte
4.2.3 Untertabelle Anthropologie
4.2.4 Untertabelle Pathologien
4.2.5 Untertabelle Verwandtschaft
4.3 Verwendete statistische Verfahren
4.3.1 Clusteranalysen
4.3.2 Deskriptive Analysen der Cluster-Ergebnisse
5. Bad Mingolsheim
5.1 Kombinationsgruppen
5.2 Vergleich der Kombinationsgruppen
5.3 Interpretationsmöglichkeiten der erfassten Muster in Bad Mingolsheim
5.3.1 Bezug Toten- zu Lebensidentitäten
5.3.2 Jenseitsmodelle
5.3.3 Konzepte von „gutem“ und „schlechtem“ Tod
6. Horb-Altheim
6.1 Ritualgruppen
6.1.1 Vergleich Ritualgruppen
6.2 Inventargruppen
6.2.1 Vergleich Inventargruppen
6.3 Vergleich der Ritual- und Inventargruppen
6.4 Interpretationsmöglichkeiten der erfassten Muster in Horb-Altheim
6.4.1 Bezug Toten- zu Lebensidentitäten
6.4.2 Jenseitsmodelle
6.4.3 Konzepte von 'gutem' und 'schlechtem' Tod
7. Weingarten
7.1 Weingarten Fallbeispiel 1
7.1.1 Ritualgruppen
7.1.2 Inventargruppen
7.1.3 Vergleich der Ritual- und Inventargruppen
7.2 Weingarten Fallbeispiel 2
7.2.1 Ritualgruppen
7.2.2 Inventargruppen
7.2.3 Vergleich der Ritual- und Inventargruppen
7.3 Weingarten Fallbeispiel 1 und 2 im Vergleich
7.3.1 Verwandtschaften in Weingarten
7.3.2 Wandel und Kontinuität im Weingartner Bestattungsritual
7.4 Interpretationsmöglichkeiten der erfassten Muster in Weingarten
7.4.1 Bezug Toten- zu Lebensidentitäten
7.4.2 Jenseitsmodelle
7.4.3 Konzepte von 'gutem' und 'schlechtem' Tod
8. Todeskonzepte und Bestattungsritual in drei frühmittelalterlichen Gemeinschaften – ein Vergleich
8.1 Die Toten und die Lebenden in Bad Mingolsheim, Horb-Altheim und Weingarten
8.1.1 Sozialstruktur, Alltagsrealität und Totenidentitäten
8.1.2 Todeskonzepte aus kulturanthropologischer Perspektive
8.1.3 Todeskonzepte im historischen Kontext
8.2 Abschließende Bemerkungen
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Digitaler Anhang (258 S.)
Anhang: Datenbank
Anhang: Bad Mingolsheim
Kombinationsgruppen
Anhang: Horb-Altheim
Ritualgruppen
Inventargruppen
Anhang: Weingarten
Weingarten Fallbeispiel 1
Ritualgruppen
Inventargruppen
Weingarten Fallbeispiel 2
Ritualgruppen
Inventargruppen
Tabellenverzeichnis