Mit 10 Abbildungen.
Die Grenze zwischen Mensch und Tier gehört zu den zeitlosen Themen der Kulturgeschichte. Szenarien der Grenzüberschreitung finden sich von den Anfängen der Menschheit über Antike und Mittelalter bis in die Neuzeit hinein. Erst seitdem der Mensch durch die Evolutionstheorie real zum Tier geworden ist, haben die bedrohlichen Phantasmen an Geltung verloren. Im 12. und 13. Jahrhundert verhandeln literarische Texte, Antikenroman, Heldenepik und höfischer Roman, mehr oder minder komplexe Konstellationen des Verhältnisses von Mensch und Tier. Udo Friedrich untersucht die theologischen, politischen und literarischen Vorstellungen von Grenzziehung und Grenzüberschreitung in dieser Zeit und arbeitet die rivalisierenden Zeichenordnungen, Narrative und Strategien heraus, die von geistlichen und weltlichen Positionen entworfen wurden.
Author(s): Udo Friedrich
Series: Historische Semantik, 5
Publisher: Vandenhoeck & Ruprecht
Year: 2009
Language: German
Pages: 440
City: Göttingen
I. Kulturwissenschaftliche Rahmung 9
1. Natur-Kultur: Grenzziehungsfunktion 9
2. Alterität mittelalterlicher Natur- und Kulturkonzepte 14
3. Dispositiv Mensch-Tier: Ackerbau v. Jagd 17
4. Kulturwissenschaftliche Perspektive 20
5. Kultur als symbolische Ordnung 23
6. Dynamisierung des Textbegriffs 29
7. Exemplarische Textanalysen 37
II. Anthropologischer Rahmen - Grenzziehungsdiskurs 39
1. Schöpfungsordnung und Sündenfall 40
2. Modelle von Kulturgeschichte 49
3. Conditio humana: Mittelalterliche 'Wissenschaft' vom Menschen 62
3.1 Humoralpathologie 64
3.2 Physiognomik 72
3.3 Genealogie und Physiognomik 80
4. Ethnographie des Fremden 83
4.1 Antike Barbarentheorie 83
4.2 Mittelalterliche Klimatheorie 87
4.3 Agricultura v. vita pastoralis 95
4.4 Missionierung und Domestizierung 98
4.5 Ethnographie der Alexanderliteratur 101
Der Zug in den Osten: Barbaren - Tiere 102
Kulturtheoretischer Disput: Gymnosophisten 107
5. Grenzfiguren zwischen Mensch und Tier 115
5.1 Contra naturam: Heilsgeschichtlicher Schuldzusammenhang 119
5.2 Soziale Randfiguren 122
5.3 Transformation des Menschen: Werwolf 125
5.4 Asketische Inversion: der Anachoret 130
Das gnostische Modell: Markus der Athener 131
Das pastorale Modell: Der heilige Benedikt 134
Das Bußmodell: Der heilige Chrysostomus 135
5.5 Wissenschaftliche Grenzziehung: Pygmäen 138
5.6 Epische Kontrafaktur: Wilde Männer und Wilde Frauen 141
III. Das politische Feld 1: Herrschaft über das Tier 145
1. Strukturierungsformen politischer Ordnung 145
2. Herrschaft und Antagonismus des Körpers 154
3. Die Gefahr der Animalisierung 164
4. Politische Repräsentation 170
4.1 Die Animalisierung des Rechtsbrechers 170
4.2 Domestizierung 173
4.3 Naturbeherrschung zwischen Kunst und Gewalt: Die Jagd 178
4.4 Herrschaft als Gewaltdemonstration: Das stärkste Tier 187
III. Das politische Feld 2: Annäherungen an das Tier 191
1. Zeichenhaushalt 191
1.1 Sprache: Vergleich - Metapher 193
1.2 Name 198
1.3 Heraldik 205
1.4 Waffenmythologie 210
1.5 Der animalisierte Körper 215
1.6 Die Grenzen der Metapher 225
2. Das Gefüge Ritter und Pferd 230
2.1 Instrumentalisierung 232
2.2 Ethische Codierung 233
2.3 Symbiose von Ritter und Pferd 235
2.4 Pferdemänner 240
2.5 Institutionalisierung 242
2.6 Genealogie des Rittertums 246
3. Entwürfe feudaler Sozialisation 249
3.1 Höfische Erziehung v. Entelechie adeliger art 251
3.2 Mythische Kontiguität 256
3.3 Imitatio naturae: die Selbsterschaffung des Heros 260
3.4 Erziehung als Reanimalisierung 264
4. Fluchtlinien der Gewalt 269
4.1 Gewaltpotentiale der Feudalgesellschaft 269
4.2 Dynamik der Meute 275
4.3 Feudales Körperkonzept 280
4.4 Zorn als Ausdrucksform feudalen 'Wahnsinns' 284
IV. Literarische Fallstudien 294
Diskurs und Literatur 294
1. Überwindung der Natur: 'Straßburger Alexander' 303
1.1 Mythische Codierung des Heros 304
1.2 Wilde Tiere und pastorale Alternative 312
1.3 Technische Unterwerfung: Das höfische Paradies 317
2. Der monströse Heilsbringer: 'Wolfdietrich A' 321
2.1 Germanisches Tierkriegertum? 321
2.2 Ausgrenzung monströser Gewalt 324
2.3 Christliche Codierung archaischer Muster 328
2.4 Gewaltpotential und feudale Zucht 330
2.5 Parameterwechsel: Feudale Gesellschaft - Wildnis 332
3. Mimesis und »Tierwerden«: 'Eckenlied' und 'Nibelungenlied' 336
3.1 Individueller Untergang: 'Eckenlied' 336
3.2 Kollektiver Untergang: 'Nibelungenlied' 343
Mimetisches 'Tierwerden' 347
Held und Kollektiv: die Meute 352
4. Dissoziation von Mensch und Tier: 'Yvain'/'Iwein' 358
4.1 'Yvain': Natur-Kultur: Strukturale und semiotische Lektüre 358
4.2 Feudale Adaptation christlicher Muster 365
4.3 Christliche Recodierung: Hartmann von Aue 370
5. Adelige art und höfische Kultur versus christliche Ethik
'Partonopier und Meliur' 375
5.1 Minneroman: Höfisches Heldenkonzept 375
5.2 Die Jagd als Initiation 376
5.3 Adelige Statusdemonstration 377
5.4 Der iuvenis als adeliges Tier 378
5.5 Der Wilde Mann als Minnetor 382
5.6 Spiegelungen innerer und äußerer Natur 384
V. Resümee 387
Quellen- und Literaturverzeichnis 395
Register 433