Die Charedim als Herausforderung für den jüdischen Staat : Der Kulturkampf um die Identität Israels

This document was uploaded by one of our users. The uploader already confirmed that they had the permission to publish it. If you are author/publisher or own the copyright of this documents, please report to us by using this DMCA report form.

Simply click on the Download Book button.

Yes, Book downloads on Ebookily are 100% Free.

Sometimes the book is free on Amazon As well, so go ahead and hit "Search on Amazon"

∎ In Israel wogt ein Kulturkampf: um die Identität des Staates, seine Leit-normen, das Verhältnis von Religion und Staat und generell um die Frage, was Jüdischsein im »Staat der Juden« bedeuten soll. ∎ Gestritten wird zwischen Ultraorthodoxen bzw. Charedim und der übri-gen israelischen Bevölkerung, wobei sich der Anteil der Ersteren daran seit 1980 von vier auf zwölf Prozent verdreifacht hat und bis 2040 auf über 20 Prozent ansteigen dürfte. Das hat Folgen für die Debatte. ∎ Die Weltanschauung der Charedim steht jener der Mehrheitsbevölkerung häufig diametral entgegen. Sie akzeptiert als Grundlagen jüdischen Lebens und jüdischer Identität nur die Thora und die religiösen Gesetze (Halacha), ist ihrem Wesen nach antidemokratisch, setzt auf hierarchi-sche Gesellschaftsstrukturen mit Rabbinern an der Spitze und ist weit-gehend azionistisch. ∎ Dennoch sind die Charedim auf den Staat und seine Institutionen an-gewiesen, wollen sie ihre Lebenswelt bewahren. Ihre (wachsende) »Gesell-schaft der Lernenden« mit vom Wehrdienst befreiten und auf Erwerbs-arbeit verzichtenden Thoraschülern muss finanziert, das Bildungssystem als zentrale Säule der Ultraorthodoxie vor Eingriffen von außen geschützt werden. Das lässt sich nur über Beteiligung am demokratischen Prozess erreichen. ∎ Die charedischen Parteien bewegen sich daher in einem Spannungsfeld aus Rückzug und Einflussnahme: Sie versuchen – neben dem Milieu-schutz – einerseits, als »Verteidiger des jüdischen Charakters des Staates« Tendenzen entgegenzuwirken, die ihrer Vorstellung des Judentums ent-gegenlaufen, und andererseits, religionsrechtlichen Prinzipien mehr Gel-tung in Staat und Gesellschaft zu verschaffen. Dieser Gestaltungswille ist neu. ∎ Die Charedim verändern Staat und Gesellschaft und werden dadurch selbst verändert. Die innergemeinschaftlichen Antworten darauf reichen von Plädoyers für Isolation über den Wunsch nach Integration in den Staat bis hin zu Forderungen nach dessen Übernahme. ∎ Für die internationalen Partner Israels wird der zunehmende Einfluss der Charedim für größeren Verhandlungsbedarf sorgen, insbesondere wenn ein Anliegen liberale und emanzipatorische Werte betrifft.

Author(s): Peter Lintl
Series: SWP Studie; 2020/21
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2020

Language: German
Pages: 44
City: Berlin
Tags: Israel, jüdischer Staat, Charedim

5 Problemstellung und Schlussfolgerungen
7 Der israelische Kulturkampf: Genese und Konfliktlinien
11 Demographie als Schlüssel zur Macht?
13 Wer sind die Charedim? Identität und Grundüberzeugungen
14 Thorastudium, Segregation und strikte Hierarchien
16 Jüdisch und/oder demokratisch? Das Staatsverständnis der Charedim
16 Ein jüdischer Staat?
17 Ein demokratischer Staat?
18 Fokussierung auf die jüdische Identität des Staates
20 Zielsetzungen und Strategien der ultraorthodoxen Parteien
21 Die Schlüsselstellung der ultraorthodoxen Parteien im politischen System
22 Konfliktfelder des Kulturkampfes
22 Keine Normen außer der Thora: Gegen Verfassung und Obersten Gerichtshof
24 Wächter über das Verhältnis von Religion und Staat: Konversion und Schabbatruhe
26 Milieuverteidigung unter Druck: Wehrpflicht und Bildungssystem im Zeichen des demographischen Wandels
30 Die Auseinandersetzungen um den öffentlichen Raum
33 Exkurs: Der Konflikt mit den Palästinensern
35 Die Zukunft der ultraorthodoxen Gesellschaft
36 Politische Entwicklungen innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft
38 Schlussfolgerungen
39 Abkürzungen