Vito Volterra (1860-1940) zählt zu den bedeutendsten Repräsentanten der italienischen Wissenschaft seiner Zeit. Angelo Guerraggio und Giovanni Paoloni analysieren seine wichtigsten Beiträge zur Mathematik und deren Anwendungen sowie seine herausragenden organisatorischen Leistungen in der Wissenschaftspolitik. Volterra ist einer der Gründerväter der Funktionalanalysis und Autor fundamentaler Arbeiten über Integralgleichungen, zur Elastizitätstheorie sowie zur Populationsdynamik (Lotka-Volterra-Modell). Auf den Internationalen Mathematikerkongressen in Paris (1900), Rom (1908), Straßburg (1920) und Bologna (1928) hält er Hauptvorträge. Er engagiert sich für die Entwicklung der Wissenschaften im vereinten Italien und wird 1905 zum Senator des Königreichs ernannt. Zu seinen vielfältigen außermathematischen Tätigkeiten gehört die Gründung des italienischen Nationalen Forschungsrates (Consiglio Nazionale delle Ricerche, CNR).
Während des Ersten Weltkriegs ist er in der militärischen Forschung tätig. Nach dem Krieg bezieht er Stellung gegen den Faschismus, womit seine Ausgrenzung beginnt.1926 tritt er als Präsident der weltberühmten Accademia Nazionale dei Lincei zurück, später wird er aus der Akademie ausgeschlossen. 1931 ist er einer der wenigen Universitätslehrer, die den Treueid gegenüber dem faschistischen Regime verweigern. 1938 treffen ihn die Rassengesetze. Die Autoren zeichnen ein umfassendes Bild des großen Mathematikers und Wissenschaftsorganisators.