Das Zeugenverhör des Franciscus de Moliano (1312): Quellen zur Geschichte des Deutschen Ordens

Herausgegeben von der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands. Bearbeitet von August Seraphim. Der Konflikt zwischen der Stadt Riga und dem Deutschen Orden war zugleich ein Kampf um die Vorherrschaft des Ordens in Livland, in dem der Erzbischof von Riga der Hauptgegner der ritterlichen Korporation war. Spätestens 1298 erhoben die Gegner des Ordens Anklage vor dem Papst, und es begann eine Reihe von Prozessen zwischen dem Orden und seinen Opponenten, die mit wechselndem Erfolg jahrzehntelang andauerten. Nach einer längeren Sedisvakanz wurde der Franziskaner Friedrich Pemstein zum Erzbischof von Riga ernannt. Friedrich, der 1305 in Livland eintraf, konnte sich in Riga jedoch nicht durchsetzen und verließ 1307 das Land, um in Avignon seine Tätigkeit gegen den Deutschen Orden fortzusetzen. Im Jahre 1310 ordnete der Papst an, dass der Domherr von Ravenna Albertus de Mediolano und der Bremer Erzbischof Jens Grand bezüglich gegen den Orden erhobener Beschuldigungen ermitteln sowie das Kloster Dünamünde, das vom Orden 1305 erw orben worden war, bis auf weiteren Beschluss im Namen des Papstes in Besitz nehmen sollten. Die Durchführung der Ermittlung wurde vom päpstlichen Kapellan Franciscus de Moliano, der sich zusammen mit dem Erzbischof Friedrich 1311-1312 auch tatsächlich in Livland aufhielt, in Angriff genommen. Unter seiner Führung wurde eine Reihe von livländischen Geistlichen betreffs der gegen den Deutschen Orden erhobenen Beschuldigungen vernommen. Es wurden mindestens vierundzwanzig Zeugen verhört. Diese Protokolle wie auch andere Beschwerdeschreiben, Antworten darauf und Prozessakten sind äußerst polemische Schriftstücke, die dem Zweck dienen, die eine Partei zu rechtfertigen und die andere zu beschuldigen. Dazu brachten beide Parteien zur Schädigung des Gegners Argumente vor, die an der Kurie und 'vor der Öffentlichkeit Europas' möglichst stark wirken sollten.