Seit 2015 steht der Umgang mit Flucht- und Migrationsbewegungen ganz oben auf
der Agenda der EU und ihrer Mitgliedstaaten. Große Hoffnungen sind an entwicklungspolitische
Interventionen geknüpft, die migrationswilligen Menschen Perspektiven
in ihren Heimatländern bieten. Diese Politik geht mit einer Fixierung auf
Wanderungsstatistiken einher; die lokalen Kontexte und die regionalen Dynamiken
der Partnerländer werden dabei häufig vernachlässigt. Hier setzt die Studie an: Auf
welche gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Prozesse trifft die externe
Migrationspolitik der EU in afrikanischen Staaten. Welche Möglichkeiten der Kooperation
sind realistisch?
Die Untersuchung konzentriert sich auf mehrere Länder, die in unterschiedlichem
Grade autoritär regiert werden: Ägypten, die Maghrebstaaten Algerien und Marokko,
den Sahelstaat Niger sowie die am Horn von Afrika in einem »Migrationskomplex«
miteinander verbundenen Länder Sudan und Eritrea. Sie analysiert die Resonanz der
migrationspolitischen Zusammenarbeit in Ländern mit unterschiedlich enger Anbindung
an Europa und setzt sich mit der Frage auseinander, ob und inwiefern gerade
autoritäre Herrscher von dieser Zusammenarbeit profitieren.
Dabei wird deutlich, dass die externe EU-Migrationspolitik je nach Verfasstheit
der Partnerländer unterschiedliche Auswirkungen hat. Das jeweilige Maß an Zentralisierung,
die Durchsetzungskraft und der Gestaltungswille bzw. die regionalen
Ambitionen der Regime sind entscheidend dafür, ob europäische Angebote eher
als willkommener Zufluss von Projektgeldern oder als Gelegenheit wahrgenommen
werden, übergreifende politische Ziele zu verfolgen. Machterhaltungsinteressen
und Legitimationsstrategien der Eliten spielen in allen untersuchten Ländern für die
Reaktion auf Kooperationsangebote eine prägende Rolle.
Author(s): Anne Koch, Annette Weber, Isabelle Werenfels (eds.)
Series: SWP Studie; 2018/3
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2018
Language: German
Pages: 83
City: Berlin
Kurzfassung
Inhaltsverzeichnis
Problemstellung und Empfehlungen
Auf der Suche nach externen Lösungen Instrumente, Akteure und Strategien der migrationspolitischen Kooperation Europas mit afrikanischen Staaten
Die migrationspolitischen Instrumente der EU
Politische und rechtliche Partnerschaftsabkommen
Regionale Prozesse
Entwicklungen im Außengrenzschutz
Zentrale Akteure und ihre Interessen
EU-Institutionen: Ringen um Kohärenz
EU-Mitgliedstaaten: Fokus auf Eigeninteressen
Konkurrenz zwischen nationalen Durchführungsorganisationen und internationalen Organisationen
Strategien der externen EUMigrationspolitik
Narrativ der Fluchtursachenminderung
Konditionalisierung migrationsbezogener EZ
Informalisierung der externen EUMigrationspolitik
Fazit
Migrationsstratege Marokko – Abschotter Algerien*
Akteure, Interessen und gesellschaftliche Dynamiken
Willkommene Emigration
Unwillkommene Durchreisende mit Ziel Europa
Einwanderung und Integration als neue Herausforderung
Migrationsstrategien und -politiken im größeren (geo-)politischen Kontext
Erfolgreiche Verschränkung innen- und außenpolitischer Interessen in der marokkanischen Migrationspolitik
Ad-hoc-Politik in Algerien
Spielräume für Europa
Migrationskonflikt in Niger: Präsident Issoufou wagt, der Norden verliert*
Einleitung
Die Bedeutung von Migration für Niger
Wessen Migrationsagenda?
Schwerpunkte und Effekte der neuen Migrationspolitik
Einschränkung von Migration als primäres Ziel
Langsame ökonomische Kompensation
Freiwillige Rückkehr
Risiken für die regionale Zusammenarbeit
Ausblick
Migrationsknotenpunkt Sudan/Eritrea: Enttäuschte Erwartungen – widerstreitende Interessen
Differenzen
Sudan und Eritrea: regionale Realitäten
Sudan
Eritrea
Flucht und Migration in der Region
Migrationszusammenarbeit
Unklares Erwartungsmanagement
Grenzsicherung – divergierende Interessen
Konfusion um Rückübernahmen
Fazit: aneinander vorbeigezielt
Perspektivwechsel: europäische Interessen
Ägypten: Migrationspolitik und Herrschaftskonsolidierung
Einleitung
Ausgangslage: Ägypten als Ziel-, Transit- und Ursprungsland von Migration
Migrationspolitische Interessen
Strategien und politisches Handeln
Umgang mit syrischen Flüchtlingen
Neugestaltung des rechtlichen und institutionellen Rahmens
Verhandlungen über Finanzhilfen
Schlussfolgerung
Vielfalt der Kooperationskontexte als Herausforderung für die EU
Proaktive versus reaktive Herangehensweisen der Partnerstaaten
Wie lassen sich die unterschiedlichen Politiken erklären?
Empfehlungen an die europäische Politik
Abkürzungen
Die Autorinnen und Autoren