Diese Arbeit geht der Frage nach, ob der Überfall des Arminius auf Varus im Jahre 9 im Lager stattfand oder unterwegs und an mehreren Tagen, ob Florus oder Dio Recht hatte, Ranke oder Mommsen. Sie vertritt die These, dass der römische Historiker, Rhetor und Dichter Florus in seinem 'Abriss der römischen Geschichte', in dem er auf diesen Vorgang zu sprechen kommt (2,30,34 b 'cum ille o securitas ad tribunal citaret, undique invadunt'), falsch verstanden wurde. Nach dem üblichen Verständnis der Florus-Stelle soll Varus die Germanen vor sein Tribunal zitiert haben und diese sollen dann ins Lager eingedrungen sein. Die Historiker folgen zwar mittlerweile in großer Mehrheit Dio, werten aber häufig Florus ab.
Von Germanen ist in dem Satz aber nicht die Rede. Meine Hauptthese lautet: Es fehlt das Akkusativobjekt zu 'citaret'. Mehr als 200 Sätze mit citare im Lateinischen werden deshalb daraufhin überprüft, ob in ihnen der Akkusativ überhaupt wegfallen darf. Ergebnis: In der Regel darf er es nicht. Ausnahmen werden eigens untersucht. Danach bleibt für mich die Möglichkeit für Konjekturen. Ich schlage eine vor, die es ermöglicht, den Widerspruch zu Dio ganz aufzuheben. Es sollte eigentlich heißen: 'cum ille securi ita se ad tribunal citaret'.
Alle maßgeblichen Editionen von Florus' 'Epitome' kommen ohne eine Konjektur an der fraglichen Stelle aus. Eine nachträgliche Prüfung zahlreicher neuzeitlicher Florus-Editionen (aus einer Zahl von ca. 150-200) ergab aber, dass die Hauptthese (fehlender Akkusativ) implizit bereits 1672 von Tanneguy Le Fèvre (Tanaquillus Faber) und 1674 ausdrücklich von seiner Tochter Anne le Fèvre (Anna Fabri filia / Anne Dacier) jeweils in einer kurzen Anmerkung vorgetragen und hier und da (bis 1844) rezipiert wurde.
Author(s): Georg Korting
Publisher: Propylaeum
Year: 2017
Language: German
Pages: 174
City: Heidelberg
Vorwort 4
1. Einleitung 5
2. Florus 9
3. Zum Aufbau von Flor. 2,30,32-34 14
4. Das übliche Verständnis von 2,30,34 b ist dreifach zu hinterfragen 16
5. 'citare' führt in der Antike in der Regel ein Akkusativobjekt mit sich, daher ist auszuschließen, dass es zu den Verben gehört, die zugleich transitiv und intransitiv gebraucht werden können 24
6. Wenn der Akkusativ fehlt, kann eine Ellipse vorliegen oder eine Intransitivisierung oder ein unbewusster absoluter Gebrauch. Zum Begriff der Ellipse 25
7. Konjekturen und Lesarten 43
8. Weitere Argumente und Bemerkungen zur neuen Konjektur 54
9. Gibt es bei Florus und in der lateinischen Literatur andere Beispiele dafür, dass 'citare' und 'tribunal' in einem übertragenen Sinn gebraucht werden können? 60
10. Eine weitere mögliche Übereinstimmung mit Dio in 2,30,34 a? 72
11. Mögliche Einwände 75
12. Gesamtergebnis 91
Anhänge 93
Anhang I: Stellenbelege zu citare, alphabetisch nach Autoren 93
Anhang II: Unterteilung der Zeilen in Vell. 2,117-120 nach KESTERMANN 133
Anhang III: Allgemeine Abkürzungen und Zeichen 134
Anhang IV: Literaturverzeichnis 135