Die Rechtsprechung stellte in der vormodernen Herrschaftsorganisation des Imperium Romanum die zentrale öffentliche Aufgabe dar. Herrschaftsausübung und Jurisdiktion waren dabei in der römischen Antike eng verknüpft - eine Gewaltenteilung war dem römischen Staat fremd. Effizienz und Funktionalität des spätantiken Gerichtswesens hingen mithin entscheidend von den Amtsträgern in den Provinzen ab, die sich in dem Versuch, all ihren Verpflichtungen nachzukommen, in einem Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit wiederfanden. Die der Untersuchung zugrundeliegenden, ausgewählten Kaiserkonstitutionen aus der Zeit von Konstantin bis zum Ende der Theodosianischen Dynastie betreffen allesamt unrechtmäßige Handlungspraktiken bei Gericht, formulieren teils Vorwürfe an den direkt angesprochenen, zuständigen Richter oder allgemein, gerichtet an iudices ordinarii und greifen »Missstände« auf, die schlussendlich alle in den breiten Kontext der »Verfahrensverzögerung und -umgehung« und fehlenden »Richteraktivität« zu stellen sind.
Author(s): Anna Theresa Leneis
Publisher: Duncker & Humblot
Year: 2020
Language: German
Pages: 228
Tags: Römisches Reich, Rechtsgeschichte, Spätantike
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Einleitung
I. Jurisdiktion, Herrschaftspraxis und „Missbrauch“ in der Spätantike?
II. Zeitraum, Quellen und Zielsetzung
B. Von Macht und Zeit: Umgehung des Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahrens
I. Die neglegentia iudicum
1. Terminologie und jurisdiktiver Kontext
a) Culpa, neglegentia et diligentia
2. Die neglegentia iudicum im Codex Theodosianus
a) Fragestellung
b) Kontrolle durch das officium
II. Die gratia iudicum
1. Terminologie und jurisdiktiver Kontext
2. Die gratia iudicum im Codex Theodosianus
a) Fragestellung
b) Die gratia iudicum und die Störung des ordentlichen Verfahrensablaufs
c) Gratia und pecunia
d) Iudices und honorati
e) Die gratia iudicum und die Desertion
f) Die gratia iudicum und die Strafvollstreckung
g) Die gratia iudicum im Kontext der „Religionsgesetzgebung“
III. „Aus den Augen, aus dem Sinn“ – Inhaftierung als Alternative zu Verfahrensführung und -vollstreckung?
1. Fragestellung
2. Zur Untersuchungs- und Strafhaft in der Spätantike
a) Zu den verschiedenen Funktionen der Gefängnishaft
b) Das Gefängnis als empfundene poena
3. Die Inhaftierung als Mittel der „Verfahrensumgehung“ im Codex Theodosianus
a) Kontrolle durch regelmäßigen Bericht
b) Kontrolle durch „Haftprüfung“
C. Von Gewalt und Unterdrückung: Die Umgehung der Rechtsmittelinstanz
I. Inhaftierung und Anwendung von Gewalt zur Unterbindung der Rechtsmitteleinlegung
1. Die erstmalige Inhaftierung vor/bei Rechtsmitteleinlegung im Codex Theodosianus
a) Die Inhaftierung als Ausübung magistraler Koerzitionsgewalt
b) Custodia militaris und custodia libera
c) Inhaftierung bei Rechtsmitteleinlegung im Codex Theodosianus
d) Bürgschaft oder Inhaftierung
e) Carcer und custodia
2. Die Gewaltanwendung bei Rechtsmitteleinlegung im Codex Theodosianus
a) Officium und iniuria
b) Öffentlichkeit als Korrektiv
c) Furcht vor contumelia
II. Iudex appellatio non recipitur
1. Das Rechtsmittel der appellatio in der Spätantike
2. Die Nichtannahme von Appellationen im Codex Theodosianus
a) Zulässigkeit von Appellationen in (Zivil- und) Strafverfahren
b) Entwicklung der Strafhöhe
III. Die transmissio suppressa
1. Zur Bedeutung der Schriftlichkeit im Rechtsmittelverfahren
2. Die Unterdrückung entscheidungsrelevanter Gerichtsakten im Codex Theodosianus
a) Zur Vollständigkeit der zu übersendenden Gerichtsakten
b) Consultatio (ante sententiam)
c) Relatio, supplicatio und appellatio
d) Nachbesserungsmöglichkeit bei Unvollständigkeit?
e) Imperiale Gegenmaßnahme: Fristen
D. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis