Im Zentrum der Arbeit steht die historische Interpretation der reich mit Grabbeigaben ausgestatteten Friedhöfe des frühmittelalterlichen Merowingerreichs. Diese werden vor allem von der mitteleuropäischen Forschung traditionell als archäologische Hinterlassenschaften germanischer Stammesverbände angesehen, die sich im Zuge der Völkerwanderung in den ehemaligen Grenzregionen des Römischen Reichs an Rhein und Donau niedergelassen hätten.
Die Arbeit zeigt die Wurzeln dieser Sichtweise im 19. Jahrhundert auf. Politische Bedeutung besaß die Erforschung der frühmittelalterlichen Friedhöfe besonders in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Während des Zweiten Weltkriegs sollte sie schließlich zur Rechtfertigung der nationalsozialistischen Expansionspolitik dienen.
Die detaillierte Analyse der wissenschaftsgeschichtlichen Zusammenhänge verdeutlicht nicht nur den Einfluss des politischen Kontextes auf die archäologischen Interpretationen, sondern eröffnet auch alternative Deutungsmöglichkeiten: im letzten Teil der Arbeit wird ein Modell präsentiert, dass das Aufkommen der Reihengräberfelder als kulturelle Reaktion auf den Zusammenbruch der Gesellschaftsstruktur in den ehemaligen Grenzregionen des Römischen Reichs interpretiert.
Author(s): Hubert Fehr
Series: Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 68
Publisher: Walter de Gruyter
Year: 2010
Language: German
Pages: XVI+806
Vorwort xv
1. Einleitung 1
I. "Germanen" und "Romanen": eine wissenschaftliche Dichotomie in der interdisziplinären Diskussion
2. "Germanen" und "Romanen": Ethnographische Kategorien? 21
3. "Germanen" und "Romanen": Ein Epochengegensatz? 42
4. "Germanen" und "Romanen": Sprachenfamilien als antagonistische Volksgruppen? 70
5. "Germanen" und "Romanen": Anthropologische Typen? 97
6. "Germanen" und "Romanen": Ein kultureller Gegensatz? 126
7. "Germanen" und "Romanen": Ethnische Gruppen im Merowingerreich? 139
II. "Germanen" und "Romanen" in der Archäologie des Merowingerreiches
8. Das ethnische Paradigma: Sprache – Kultur – Rasse 1840–1888 177
9. "La question franque": Archäologie, Toponymie und Geschichtswissenschaft 1888–1914 232
10. Frühmittelalterarchäologie und Propaganda: Der Erste Weltkrieg 255
11. Volkstum als Paradigma: Der Aufbruch der deutschsprachigen Frühmittelalterarchäologie nach dem Ersten Weltkrieg 299
12. Frühmittelalterarchäologie und Westforschung 352
13. Ur- und Frühgeschichte im Kriege: Archäologische Forschungen zu Germanen und Romanen 1939 bis 1945 404
14. Neuformierung und Transformation: Archäologische Volkstumsforschung in der Nachkriegszeit 515
15. Die "Rehabilitation" der ethnischen Interpretationen: "Germanen" und "Romanen" in den 1970er Jahren 601
16. Kontinuität wider besseres Wissen? 658
III. Germanische Einwanderung oder kulturelle Neuorientierung? Die Anfänge des Reihengräberhorizontes
17. Die Anfänge des Reihengräberhorizontes: Der historische Kontext 681
18. Die Anfänge des Reihengräberhorizontes: Archäologische Aspekte 725
19. Zusammenfassung 784
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur 789
Abkürzungsverzeichnis 797
Personenregister 799