Die Annahme des sogenannten Ermächtigungsgesetzes durch den
Reichstag am 23. März 1933 bedeutete eine entscheidende Etappe der
nationalsozialistischen Machtergreifung und Machtbefestigung. Allerdings
hatten bereits die Notverordnungen Hindenburgs vom 28. Februar
den permanenten Ausnahmezustand begründet und eine weitaus
stärkere Zäsur auf dem Wege vom Rechtsstaat zum Polizeistaat
markiert. Aber erst die Mehrheitsentscheidung des am 5. März gewählten
Reichstags brachte den von den neuen Machthabern erstrebten
Erfolg. Goebbels' Notiz vom 24. März: »Jetzt sind wir auch
verfassungsmäßig die Herren des Reiches« (Nr. 30), umschreibt den
Triumph der NS-Führung, die die parlamentarische Hürde unerwartet
leicht hatte nehmen können. Hitler zeigte sich darüber im Reichskabinett
»unendlich glücklich« (Nr. 31).
Die präsidialstaatliche Entwicklung und Notverordnungspolitik der
voraufgegangenen Jahre hatte einer Gewöhnung an Ermächtigungsgesetze
Vorschub geleistet. Jedoch schufen erst die in der Zeit vom
30. Januar bis zum 23. März 1933 erlassenen 20 Notverordnungen
auf Grund des Art. 48 der Reichsverfassung die »machtpolitischen
Voraussetzungen für die pseudoparlamentarische Legalisierung der
Diktatur« (K. D. Bracher) im Gesetz vom 24. März, das der »Behebung
der Not von Volk und Reich« dienen sollte. Die Abgeordneten
der bürgerlichen Mittelparteien waren sich der Bedeutung ihres Votums
bewußt (Nr. 22, 26). Auch wenn ihre formale Legalisierung der
nationalsozialistischen Herrschaft die seit dem 28. Februar bestehenden
Machtverhältnisse nicht veränderte, trug sie dennoch dazu bei,
den wahren Charakter des Regimes zu verschleiern, das sich der
Staffage der parlamentarischen Szenerie geschickt bedient hatte
(Nr. 24, 26).
Die Quellen lassen erkennen, wie zielstrebig Hitler das Ermächtigungsgesetz
ansteuerte und welchen Wert er dem Votum der Zentrumsfraktion
beimaß (Nr. 9). Deren interne Erörterungen können
besonders dicht belegt werden (Nr. 19, 21, 22, 39a-c, 4oa-b). Daneben
kommen - mit Ausnahme der NSDAP, deren Intentionen in den
Kabinettsprotokollen und in Hitlers Reden Ausdruck finden (Nr. 24,
26) - Vertreter derjenigen Parteien zu Wort, die ebenfalls dem Ermächtigungsgesetz
zustimmten: Deutschnationale Volkspartei (Nr.
7
4oe), Bayerische Volkspartei (Nr. 26), Staatspartei (Nr. 26, 39d-f,
40c-d), Volksdienst/Evangelische Bewegung (Nr. 26, 39g-h), Deutsche
Bauernpartei und Deutsche Volkspartei; die beiden letztgenannten
Gruppen mit jeweils zwei Abgeordneten verzichteten allerdings
im Reichstag darauf, ihr Votum zu begründen. Es folgt die Stellungnahme
der Sozialdemokratischen Fraktion, die bei Ausschluß der
81 KPD-Abgeordneten von der Teilnahme an der Reichstagssitzung
als einzige das Gesetz abgelehnt hat (Nr. 26, 391-k, 4of-i), allerdings
am 17. Mai 1933 einer außenpolitischen Erklärung Hitlers zustimmte.
Anschließend gelangen Stellungnahmen von Abgeordneten und Politikern
aus späteren Jahren zum Abdruck (Nr. 39, 40). Die Auszüge
aus juristischen Kommentaren (Nr. 34) beschränken sich auf wenige
Zeugnisse von 1933/34 u n d stellen eine verkürzte Auswahl dar.
Die Wiedergabe der Texte erfolgt wortgetreu, wobei die Schreibweise
modernisiert wurde. Sperrungen oder Unterstreichungen im Original
sind durch Kursivsatz hervorgehoben.
Author(s): Rudolf Morsey (ed.)
Series: Historische Texte / Neuzeit; 4
Publisher: Vandenhoeck und Ruprecht
Year: 1968
Language: German
Pages: 83
City: Göttingen
Tags: Nationalsozialismus, Adolf Hitler, NSDAP
Einleitung 7
1. 30. Januar 1933 Ministerbesprechung 9
2. 31. Januar 1933 Ministerbesprechung 10
3. 28. Februar 1933 »Reichstagsbrand-Notverordnung« . . . 11
4. 5. März 1933 Ergebnis der Reichstagswahl . . • . . . 13
5. 7. März 1933 Ministerbesprechung 13
6. 9. März 1933 Aus einem Leitartikel 14
7. 15. März 1933 Aus den Tagebuchaufzeichnungen von
Goebbels 14
8. 15. März 1933 Ministerbesprechung 14
9. 20. März 1933 Ministerbesprechung 18
10. 20. März 1933 Aus den Tagebuchaufzeichnungen von
Goebbels 19
11. 20. März 1933 Sitzung des Vorstands der Zentrumsfraktion
19
12. 20. März 1933 Eugen Bolz an seine Frau 20
13. 20. März 1933 Sitzung der Zentrumsfraktion . . . . 20
14. 21. März 1933 Aus der Rede Hitlers beim Staatsakt in der
Potsdamer Garnisonkirche 20
15. 21. März 1933 Eugen Bolz an seine Frau 21
16. 21. März 1933 Schluß der Rede Görings zur Eröffnung des
neuen Reichstags 21
17. 21. März 1933 Antrag der NSDAP- und DNVP-Fraktion 22
18. 21. März 1933 Antrag der NSDAP- und DNVP-Fraktion 22
19. 22. März 1933 Sitzung des Vorstands der Zentrumsfraktion
23
20. 22. März 1933 Eugen Bolz an seine Frau 24
21. 22. März 1933 Sitzung des Vorstands der Zentrumsfraktion
. . . . 24
22. 23. März 1933 Sitzung der Zentrumsfraktion (Beginn
11.15 Uhr) ... 26
23. 23. März 1933 Hitlers Zusagen an das Zentrum . . . . 27
24. 23. März 1933 Aus der Sitzung des Reichstags (Beginn
14.05 Uhr) 30
25. 23. März 1933 Sitzung der Zentrumsfraktion 42
26. 23. März 1933 Aus der Sitzung des Reichstags (Beginn
18.16 Uhr) 43
27. 23- März 1933 Sitzung des Reichsrats 54
28. 24. März 1933 Bericht des »Völkischen Beobachters« . . 55
29. 24. März 1933 Gesetz zur Behebung der Not von Volk
und Reich (»Ermächtigungsgesetz«) . . . 55
30. 24. März 1933 Aus den Tagebuchaufzeichnungen von
Goebbels 57
31. 24. März 1933 Ministerbesprechung 57
32. 24. März 1933 Sitzung der Zentrumsfraktion 58
33. 24. März 1933 Erklärung der Reichstagsabgeordneten der
Staatspartei 58
34. 1933-1934 Aus juristischen Kommentaren:
a) Carl Schmitt, b) Georg Kaisenberg,
c) Otto Koellreutter, d) Heinrich Krüger,
e) Franz Albrecht Medicus, f) Hans
Pfundtner, g) Ulrich Scheuner 60
35. - Die Gesetzgebung auf Grund des Ermächtigungsgesetzes
64
36. 30. Januar 1937 Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes 65
37. 30. Januar 1939 Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes 65
38. 10. Mai 1943 Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes 66
39. 1947 Aus Stellungnahmen ehemaliger Abgeordneter
vor dem Untersuchungsausschuß des
Württembergisch-Badischen Landtags:
a) Joseph Ersing, b) Franz Wiedemeier,
c) Johannes Groß, d) Reinhold Maier,
e) Theodor Heuss, f) Hermann Dietrich,
g) Wilhelm Simpfendörfer, h) Paul Bausch,
i) Fritz Ulrich, k) Erich Roßmann . . . . 66
40. 1946-1964 Aus Äußerungen ehemaliger Abgeordneter:
a) Heinrich Brüning (1946), b) Heinrich
Brüning (1946), c) Theodor Heuss (1963),
d) Reinhold Maier (1964), e) Otto Schmidt-
Hannover (1959) , f) Carl Severing (1950),
g) Friedrich Stampfer (1957), h) Wilhelm
Hoegner (1959), i) Heinrich G. Ritzel (1963) 71
41. 1947 Eindrücke eines Zuschauers:
Andre Franc;ois-Poncet 82
Ausgewählte Bibliographie 83