Für die Regierungen der westlichen Länder ist der Gang der Dinge in Syrien und im Irak ernüchternd. Für die Kurden, die in diesen beiden vom Krieg gezeichneten Staaten leben, ist er dramatisch. Denn mit dem Sieg über den IS endete für die Kurden Syriens und des Irak eine Periode, in der sie sich einerseits einem existenzbedrohenden Gegner gegenübersahen, andererseits aber Teil militärischer Bündnisse waren, auf die sie sich – auch weil die kurdischen Kämpfer für diese Bündnisse unverzichtbar waren – verlassen konnten. Mit dem Ende des Krieges gegen den IS ist diese Unverzichtbarkeit zur Disposition gestellt und die Kurden beider Länder sind erneut mit der Tatsache konfrontiert, dass sie keine natürliche Schutzmacht haben.
Doch wie steht es um die Kurden selbst? Auf welcher wirtschaftlichen, sozialen und politischen Basis beruhen ihre Forderungen nach Selbstbestimmung? Wieweit deckt sich die Politik kurdischer Akteure mit ihrer Rhetorik von einer kurdischen Nation, die durch das Gefühl eines gemein-samen Schicksals und die Erwartung einer gemeinsamen Zukunft geeint sei und die indes über einen minimalen politischen Konsens verfügt?
Die Autorinnen und Autoren der Studie werfen einen kritischen Blick auf die zeithistorischen, ökonomischen und politischen Parameter des Handelns und Entscheidens kurdischer Akteure. Martin Weiss analysiert die Gründe für das politische Scheitern des Unabhängigkeitsreferendums der irakischen Kurden 2017. Caner Yıldırım und Gülistan Gürbey leuchten das energiepolitische Potential des kurdischen Nord-Irak aus. Arzu Yılmaz deckt Dynamiken des Verhältnisses zwischen den beiden größten kurdischen Parteien des Nahen Ostens auf. Und Katharina Lack schildert die Machtverhältnisse unter den Kurden Syriens.
Author(s): Günter Seufert (ed.)
Series: SWP Studie; 2018/11
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2018
Language: German
Pages: 92
City: Berlin
Tags: Naher Osten, Kurdistan, Kurden
Inhalt
Problemstellung und Schlussfolgerungen
Rückschlag auf dem Weg zur Selbständigkeit – Kurdistan-Irak vor und nach dem Unabhängigkeitsreferendum
Vom »kurdischen Dubai« zur Problemregion
Mangelnde innere Konsolidierung: Die Entwicklung der innerkurdischen Machtverhältnisse von 1992 bis 2018
Die Diskussionen über Unabhängigkeit und Territorien
Ziele der inländischen Akteure und ihrer regionalen Verbündeten
Die fragile türkisch-kurdische Allianz
Der Iran als Partner und Gegner der kurdischen Parteien im Irak
Irakische Sunniten ohne starke Partner
Neuer Hoffnungsträger Russland
Vorgeschichte des Unabhängigkeitsreferendums
Internationale Reaktionen
Ergebnis des Referendums und die Reaktionen darauf
Wie geht es weiter nach den gesamtirakischen Wahlen vom 12. Mai 2018?
Fazit und Schlussfolgerungen für den Umgang mit Kurdistan-Irak
Das energiepolitische Potential IrakischKurdistans
Energiepolitische Bestandsaufnahme
Ölexporte der KRG und Streit ums Öl mit Bagdad
Phase 1: Kurdische Erdölgewinnung und Verfassungsstreit (2002–Juli 2007)
Phase 2: Bemühungen um die Legalisierung des kurdischen Energiesektors (August 2007–Oktober 2011)
Phase 3: Anstrengungen zur Konsolidierung einer von Bagdad unabhängigen Energieexportpolitik (November 2011–November 2014)
Phase 4: Fragile Kooperation mit Bagdad (Dezember 2014–September 2017)
Phase 5: Verlust Kirkuks und Zusammenbruch der Kooperation mit Bagdad (Oktober 2017–Gegenwart)
Erdöl- und Erdgaspolitik der KRG – Ziele, Strategien und Kooperationen
Internationale Erdölgesellschaften
Türkei
Iran
Europäische Union
Herausforderungen für eine kurdische Energiepolitik
Rechtliche Herausforderungen
Ökonomische Herausforderungen
(Sicherheits-)politische Herausforderungen
Schlussfolgerungen und Perspektiven
Gegeneinander, miteinander: Die KDP und die PKK in Sindschar
Der »Islamische Staat«: Wendepunkt in den Beziehungen der kurdischen Parteien
Die Stadt Sindschar und ihr Gebirge
Die Übernahme Sindschars durch die KDP ab 2003
Die PKK in Sindschar zwischen 2003 und 2014
Der Angriff des »Islamischen Staates« und die Ad-hoc-Kooperation der KRGPeschmerga und PKK-naher Milizen
Der Feldzug zur Befreiung Sindschars und zunehmende Spannungen zwischen der KDP und der PKK
Ausblick
Aktueller Nachtrag
Die Lage in den kurdischen Gebieten Syriens: Politische Akteure und ihre Entwicklung seit 2011
Die Rolle der kurdischen Parteien bis 2011
Die kurdischen Parteien und die Revolution von 2011
Die Politik der PYD
Die Politik der KNR-Parteien
Der Einfluss des syrischen Machtapparats in den von der PYD kontrollierten kurdischen Gebieten
Ausblick
Resümee: Eine insgesamt ernüchternde Bilanz kurdischer Politik und westlichen Engagements im Nahen Osten
Das Referendum der irakischen Kurden über die Unabhängigkeit vom Irak
Die energiepolitischen Potentiale Irakisch-Kurdistans
Die KDP und die PKK in Sindschar
Die Lage in den kurdischen Gebieten Syriens: Politische Akteure und ihre Entwicklung seit 2011
Braucht es eine europäische Kurdenpolitik?
Drei Grundlinien der bisherigen westlichen Politik gegenüber kurdischen Akteuren
Anhang
Abkürzungen