∎ Der Agrarsektor besitzt hohe Bedeutung für Tunesiens wirtschaftliche und gesellschaftliche Stabilität. Das neu verhandelte vertiefte und um-fassende Handelsabkommen (DCFTA) mit der EU bietet Chancen für die Landwirtschaft, birgt aber auch Risiken für das gesamte Land.
∎ In Tunesien bestehen starke emotionale Widerstände gegenüber dem DCFTA. Sie sind ähnlich massiv wie die Vorbehalte, die in Deutschland dem Transatlantischen Freihandelsabkommen (TTIP) entgegengebracht wurden.
∎ Jenseits der Kritik an konkreten Verhandlungsinhalten speist sich die pauschale Ablehnung aus mehreren Quellen. Das sind die Angst vor euro-päischer Dominanz, schlechte Erfahrungen mit Transformationen im Agrarsektor, vor allem beim Landeigentum, sowie die in ganz Nordafrika vorherrschende Tradition, die Nahrungsversorgung durch protektio-nistische Handelspolitik zu sichern.
∎ Die vorliegenden Wirkungsanalysen weisen positive Wohlfahrtseffekte aus. Dennoch erscheinen viele Bedenken wegen ökologischer und sozialer Auswirkungen des DCFTA berechtigt. Die befürchteten negativen Effekte ließen sich aber durch konkrete Lösungen im Abkommen und besonders durch begleitende tunesische Politiken vermeiden.
∎ Dem pauschalen Widerstand nahezu aller Akteursgruppen in Tunesien kann die EU mit besserer Verhandlungskommunikation begegnen. Dabei sind Sensibilität und Respekt im Umgang mit tunesischen Befindlich-keiten ebenso wichtig wie der Appell an Verbindlichkeit und Eigen-verantwortung auf tunesischer Seite.
∎ Vor allem sollten tunesische Wissenschaftler verstärkt an Wirkungs-analysen zum DCFTA beteiligt werden und sich dabei einem öffentlichen Austausch stellen.
∎ Unabhängig vom Erfolg oder Misserfolg der Verhandlungen ist ohnehin geboten, die tunesische Landwirtschaft intensiver zu fördern. So eröffnet der Bio-Sektor große Absatzchancen für Tunesien und attraktive Beschäf-tigungsmöglichkeiten für junge Menschen.
Author(s): Bettina Rudloff
Series: SWP Studie; 2019/24
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2019
Language: German
Pages: 44
City: Berlin
Problemstellung und Empfehlungen
Stabiles Land durch stabile Landwirtschaft in Tunesien? Effekte des neuen EU-Handelsabkommens (DCFTA) im Agrarsektor
Besondere Herausforderungen im ländlichen Raum
Ökonomische Besonderheiten
Tunesien ist der zweitgrößte afrikanische Exporteur biologischer Agrarprodukte.
Der regionale Handel Nordafrikas ist mit weniger als 2 Prozent des Gesamthandels der geringste weltweit.
Viele Menschen in der Grenzregion zu Libyen leben vom Schmuggel.
Ökologische Herausforderungen
Soziale Sensibilität
Die politische Sensibilität für steigende Verbraucherpreise ist hoch, aber nicht immer durch Fakten gerechtfertigt.
Tunesiens Politikansätze für den ländlichen Raum
Agrarpolitik
Tunesiens Agrarpolitik verbindet zwei Hauptziele miteinander: starke Exportkonzentration auf wenige Produkte und Versorgungsautarkie.
In allen nordafrikanischen Staaten werden essentielle Lebensmittel seit Jahrzehnten stark subventioniert.
Weitere Politikansätze mit Wirkungen im ländlichen Raum
Handelspolitik
Mit neueren Handelsabkommen erweitert Tunesien seinen Radius, weg vom europäischen Markt.
Status quo des Marktzugangs
Der Agrarhandel zwischen EU und Tunesien ist noch wenig liberalisiert.
Agrarzölle zwischen der EU und Tunesien im Assoziierungsabkommen
Jenseits von Zöllen: keine bilateralen Regelungen zu nichttarifären Maßnahmen im Assoziierungsabkommen
Verhandlungen über den Marktzugang im neuen DCFTA
Einzelne Verhandlungsvorschläge für den Agrarhandel
Tunesiens wichtigste handelsrelevante Abkommen
Optionen für die Einfuhr von Olivenöl in die EU und ihre Relevanz
Risiken und Chancen einer Handelsliberalisierung für den ländlichen Raum
Tunesische Wissenschaftler arbeiten an etlichen Wirkungsanalysen zum DCFTA mit.
Ökonomische Wirkungen
Vorteile eines Zollabbaus können nur ausgeschöpft werden, wenn gleichzeitig NTMs reduziert werden.
Ökologische Wirkungen
Noch gibt es nur wenige Analysen ökologischer und sozialer Auswirkungen einer Liberalisierung des Agrarhandels.
Soziale Wirkungen
Tunesische Vorbehalte gegen eine Liberalisierung des Agrarhandels
Versuch einer Erklärung: Erfahrungen mit Agrarreformen und das Narrativ europäischer Dominanz
Vorbehalte einzelner Akteure
Immer wieder wurde fälschlich beklagt, es fehlten Wirkungsanalysen zum Handelsabkommen.
Landnutzung und Enteignung in Tunesien – nachwirkende Erfahrungen
Mögliche Antworten der EU auf tunesische Vorbehalte
Kompromisse im Agrarkapitel
Die EU sollte anbieten, die Zölle für verarbeitete Produkte spürbar zu senken.
Wirkungsanalysen: Rücksicht auf tunesische Sensibilitäten bei mehr Eigenverantwortung
Studienergebnisse sollten in Tunesien öffentlich diskutiert werden.
Bessere Kommunikation und Beachtung des größeren politischen Kontexts
Anhang
Liste der Wirkungsanalysen (siehe Tabelle 3, S. 25)
(1) Spezifische Analysen zum DCFTA
Unter tunesischer Beteiligung
(2) Analysen zum Assoziierungsabkommen
(3) Analysen zur Liberalisierung
Unter tunesischer Beteiligung
(4) Noch laufende Analysen
Unter tunesischer Beteiligung
Lektürehinweise
Abkürzungsverzeichnis