Die moderne Diplomatie ist mit fundamentalen Veränderungen konfrontiert, die in beispielloser Geschwindigkeit auf sie einstürmen: Technische Entwicklungen, insbesondere die Digitalisierung, wirken sich darauf aus, wie sie agiert. Es treten auf nationaler wie internationaler Bühne immer mehr Akteure auf, deren Tätigkeit die Diplomatie berührt; dabei geraten zunehmend auch innenpolitische Politikfelder auf die außenpolitische Agenda. Die Öffentlichkeit sensibilisiert sich für solche Fragen und strebt über soziale Medien oder andere Plattformen nach Einfluss auf die Diplomatie. Zwischenstaatlicher Austausch nimmt ebenso zu wie die innerstaatliche Interdependenz von Regierungshandeln. Inwieweit kann Diplomatie dann noch als legitime Repräsentantin einer in sich schlüssigen Außenpolitik wahrgenommen und entsprechend effektiv tätig werden? Nicht zuletzt ändern sich als Erstes die Ansprüche an Qualifikation und Persönlichkeitsprofil des diplomatischen Korps. Diese Tendenzen, allesamt Ausdruck all-gemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen, wird die Diplomatie verarbeiten und in Regierungshandeln übersetzen müssen.
Vier Bereiche sind dafür ausschlaggebend:
1. das Spannungsverhältnis zwischen individuellen Befindlichkeiten und staatlichen Erfordernissen, das ohne Nachteil für den Staat zu nutzen ist;
2. ein Einsatz der Digitalisierung, der so erfolgt, dass die Gewinne an Effizienz nicht zu Lasten der Effektivität gehen;
3. neue Formate des Interessenausgleichs, die es Regierungen erlauben, unter Einbindung von Einfluss und Potenzial anderer Akteure immer noch als souveräne Staaten tätig zu werden;
4. neue Formen offener staatlicher Tätigkeit, die dem emotionalisierten Ausdruck von Teilhabewünschen gerecht werden, ohne die Prinzipien repräsentativer Demokratie preiszugeben.
Author(s): Volker Stanzel
Series: SWP Studie; 2018/23
Publisher: Stiftung Wissenschaft und Politik
Year: 2018
Language: German
Pages: 80
City: Berlin
Tags: Multilaterale Beziehungen, Bilaterale Beziehungen, Diplomatie