Karolingische politische Ordnung ist, anders als das Reich der Ottonen, in der Forschung durchaus als hoch entwickelt erkannt worden. Dabei scheut sich die Forschung aus verschiedenen Gründen, das Karolingerreich als staatliche Ordnung zu betrachten, auch weil dem Reich die dazu notwendige Transpersonalität fehle. In der karolingischen Gesellschaft des Frankenreiches bestehen aber sehr wohl transpersonale Größen, nämlich Kirchen und Familien, die beide einen von der einzelnen Person unabhängigen Zusammenhang in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bedeuten. Diese Größen werden auf ihre innere Struktur und ihre Funktionalität im Reich hin untersucht und ihr Zusammenwirken als für das Reich konstituierend dargelegt. Für die auf die politischen Realitäten abzielende Fragestellung ist eine erneute Diskussion des mutmaßlichen Charakters des Reiches auf der Basis der zeitgenössischen theoretischen Konzeptionen, wie sie die Forschung zu karolingischer Staatlichkeit bisher vornahm, nicht mehr wesentlich. So entsteht ein Bild vom karolingischen Frankenreich, das sich zwischen dem in neueren Forschungen als nachantik erkannten Gallien der Merowinger und der regressiven politischen Ordnung der Ottonen befindet und sich so als nach vormodernen Prinzipien als staatlich geordnet erweist, indem das Politische aus den sozialen Realitäten heraus begründet wird.
Author(s): Jürgen Strothmann
Series: Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 116
Publisher: Walter de Gruyter
Year: 2019
Language: German
Pages: 518
City: Berlin
Vorwort v
Einleitung 1
Vorbemerkungen: Zur Theorie des Reiches bei Sedulius Scottus und Hinkmar von Reims 43
DIE HERRSCHERFAMILIE
1. Die Teilungen des Herrschaftsraumes 57
2. Die Aufgabe der einzelnen Teile der Herrscherfamilie 73
3. Institutionalisierte familiäre Bindungen 109
4. Die Herrscherfamilie als körperschaftlich organisierter Zusammenhang 121
KIRCHEN UND KLÖSTER
1. Grundlagen und Voraussetzungen 133
2. Kirchenorganisation im Reich der Karolinger 169
DER STAAT ALS VERBAND
1. Karolingische politische Theorie – Von der Gemeinschaft als "domus" des Herrschers zum Verband aus "res publica" und "ecclesia" 307
2. "societas societatum" – Zur Organisation des karolingischen Staates 315
Ergebnisse 449
Abkürzungen 453
Quellen und Quellensammlungen 455
Literaturverzeichnis 469
Register 501